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552 Jiří Němec
lichen Nachbarvölker. Durch sie wurde ein befriedetes Mitteleuropa geschaffen110. 1933 war
Borodajkewycz zutiefst davon überzeugt, dass dies eine österreichische Sendung war und
dass die Kraft dieser Erneuerung Mitteleuropas, des neuen Reiches, nur aus der katholi-
schen Kirche und dem Christentum kommen konnte und musste. In den folgenden Jah-
ren hat er diese seine Überzeugung nicht verloren. Sein Beitritt zu den Illegalen bedeutete
aber, dass er wahrscheinlich zu einer folgenschweren Erkenntnis gelangt war : Den ersten
notwendigen Schritt zur erhofften gesamtdeutschen Einigung sollte der Nationalsozialis-
mus als politische Macht verwirklichen. Diesen Weg zur Synthese von Katholizismus und
Nationalsozialismus ging Borodajkewycz zunächst konsequent weiter.
Neben dem bereits genannten Glaise-Horstenau zählten zur Gruppe der Katholisch-
Nationalen in der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre beispielsweise : Srbik, Nadler, der Prä-
historiker und Universitätsprofessor Oswald Menghin, der Jurist, Rechtshistoriker und
Mitglied des Bundesrates Karl G. Hugelmann, der hohe Beamte im österreichischen Un-
terrichtsministerium und rechtstehende CV-Angehörige Wilhelm Wolf, der Philosoph
Hans Eibl. Letzterer verfasste das Buch „Vom Sinn der Gegenwart. Ein Buch von deut-
scher Sendung“ und wirkte als langjähriger Herausgeber der Wochenschrift „Schönere
Zukunft“, deren Meinung nach eine wissenschaftlich begründete Rassenpolitik christ-
lichen Prinzipien nicht entgegenstand111. Auf Seiten der jüngeren Generation zählten
hierzu Mitglieder des rechten Flügels des CV (etwa Walter Ternik, Theodor Veiter oder
der Historiker Ernst Klebel) und Mitglieder des katholischen Bundes „Neuland“ sowie
verschiedene Mitarbeiter der „Schöneren Zukunft“, so vor allem der langjährige Freund
von Borodajkewycz, der Publizist Anton Böhm112. Bereits 1932 versammelte sich diese
jüngere katholische und deutschnationale Generation in einem „Volksdeutschen Arbeits-
kreis österreichischer Katholiken“, der an der Vorbereitung des Wiener Katholikentages
maßgeblich beteiligt war. In einem programmatischen Artikel charakterisierten sie sich als
„entschieden katholisch, unwandelbar deutsch und eindeutig konservativ“. Im heutigen
Verständnis des Politischen ist das Programm mit Stefan Eminger kurz als Antiparla-
mentarismus, Antiliberalismus, Antimarxismus, Antisemitismus, Ständeordnung, soziales
Engagement und hegemoniales Gesamtdeutschtum in Mitteleuropa zu beschreiben113.
Wie Borodajkewycz waren diese Leute zur Zusammenarbeit mit Hitler-Deutschland be-
reit und viele von ihnen hatten früh enge Beziehungen zur NSDAP geknüpft. Böhm war
110 Diözesenarchiv Wien, NL Karl Rudolf, XVIII/5, Katholikentag 1933/2, Gedanken zur Idee des Katholiken-
tages von Borodajkewycz, undatiert.
111 Broucek, Persönlichkeiten (wie Anm. 105) 8.
112 Behal, Kontinuitäten (wie Anm. 112).
113 Stefan Eminger, Ralf Andraschek-Holzer, Karl Lechner (1897–1975). Landeshistoriker zwischen Ka-
tholizismus und Nationalsozialismus, in : Österreichische Historiker 2 (wie Anm. 7) 523–590, hier 532–534.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625