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Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984) 569
keinen Fall nehme. Der Besitzer mit seiner Familie ist dann am nächsten Tag auf der Straße
gesessen. Ich habe diese Wohnung trotzdem nicht genommen185. Bereits die darauf folgende
Bemerkung verrät aber, dass Borodajkewycz Einwände gegen Juden in Österreich hatte :
Der Einfluß der Juden war zu groß. Ich habe aber abgelehnt, was mit den Juden nach 1938
geschehen ist186. Eine Quelle aus der Mitte der 1930er-Jahre belegt, dass diese Vorstellung
von einem „zu großen“ Einfluss der Juden in Österreich von ihm wie auch von vielen
österreichischen Katholisch-Nationalen damals geteilt wurde und dass deren Milieu stets
latent antisemitisch war187.
5. prager intermezzo in den letzten kriegsjahren
Bereits 1937 zweifelte Srbik nicht daran, dass Borodajkewycz einmal eine Universitäts-
professur erhalten würde. Sein Name erschien damals in Srbiks Briefwechsel mit Hans
Hirsch, Direktor des IÖG, im Zusammenhang mit der Suche nach einem Kandidaten für
einen Lehrstuhl für neuzeitliche und österreichische Geschichte an einer geplanten neuen
katholischen Universität in Salzburg188. Aus diesen Planungen wurde bekanntlich nichts,
185 Borodajkewycz’ Zeugenaussage vor dem Strafbezirksgericht Wien am 17.01.1963, siehe Fischer, Einer in
Vordergrund (wie Anm. 8) 75.
186 Ebd.
187 Dass bezeugt nicht nur die antisemitische Argumentation in Aufsätzen Anton Böhms in der Zeitschrift
„Schönere Zukunft“, sondern etwa auch ein Schreiben des Redakteurs dieser Zeitschrift Eberle von 1934.
Eberle war als Antisemit bekannt und Borodajkewycz wurde von ihm in Zusammenhang mit Universitäts-
Reformplänen schriftlich gefragt, wieviel und namentlich welche katholischen, liberalen und jüdischen Aka-
demiker es an der Universität Wien gab. Leider ist das Antwortschreiben Borodajkewycz’ nicht bekannt.
Gleichwohl ist diese Quelle wichtig, da die ruhige Sprache und Form des Textes Böhms bezeugt, dass solche
Fragen in diesem Milieu anscheinend als „normal“ und „gewöhnlich“ galten. Freilich sicherte Böhm seinem
Adressaten vollste Diskretion zu. Der von Katholiken verurteilte Liberalismus an den Universitäten stellte
sozusagen ein Synonym zu „Judentum“ und „Antiösterreichertum“ dar. In der Politik Oesterreichs ist der
katholische Gedanke schlechthin in Führung gelangt. An den Universitäten Österreichs aber ist der Liberalismus,
ist das Judentum, ist mannigfaltiges Antiösterreichertum noch stark verbreitet. Und weiter : Welche Lehrer fallen
auf durch überlebten Liberalismus, durch spezifisches Antiösterreichertum ? Wie stark und durch welche Namen
ist das Judentum vertreten ? ÖStA KA, NL TB, Sig. B1251/27, Schreiben Eberles an Borodajkewycz vom
24.04.1934.
188 Hirsch suchte nach einem Kandidaten, nachdem ein erster Versuch, Franz Schnabel zu berufen, gescheitert
war : Nun möchten sie von mir gerne Namen hervorragender Vertreter der neueren Geschichte genannt haben. […]
Zum mindesten wäre jetzt Gelegenheit, auf den Taras hinzuweisen, der ja gewiß noch kein hervorragender Vertreter
seines Faches ist, für dessen Berufung aber dies und jenes angeführt werden könnte. Vor allem möchte ich in diesem
Falle die Verbindung von neuzeitlicher und österreichischer Geschichte gutheißen, da Taras ja Österreicher ist und
in der mittelalterlichen Geschichte, wie sein Bildungsgang dies aufweist, hinlänglich gut ausgebildet erscheint.
Srbik wollte die Absage Schnabels eher zur Versorgung seines älteren Assistenten, Reinhold Lorenz, nutzen.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625