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572 Jiří Němec
SS „Erfahrungen“ aus dem Einsatz eines Kommandos der Sicherheitspolizei und SD in
Südrussland, wie am Ende seines für die Berufung erstellten Lebenslaufs ausdrücklich
erwähnt wurde.194 In erster Linie wünscht die Fakultät diesen Menschen zu gewinnen, be-
tonten Briefe des Dekans Hoffmann aus dem Sommer 1943 an den Reichsminister für
Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Es war in Prag zwar bekannt, dass Valjavec
eine Ernennung an die Auslandswissenschaftliche Fakultät der Universität Berlin erwar-
tete, dennoch fühlte sich die von Beyer beeinflusste Fakultätsleitung aber zu der Annahme
berechtigt, dass er einen Ruf nach Prag vorziehen würde. Sie anerkannte seine hervorragende
Arbeit über die ungarische Geschichte sehr und legte auf Herrn Valjavec deshalb besonderen
Wert, weil […] die von ihm geleiteten „Südostdeutschen Forschungen“ sich den Plänen der
Prager Reichstiftung besonders gut einfügen195.
An zweiter Stelle wurde der Name eines Wiener Historikers genannt : Sollte es nicht
möglich sein, Herrn Valjavec zu gewinnen, heißt es im Schreiben an den Reichsminister, so
ist die Fakultät überzeugt, dass auch Herr Borodajkewycz sich in die gestellten Aufgaben gut
einarbeiten wird196. Dieser Vorschlag konnte sich formal auf einige „Verdienste“ Borodaj-
kewycz’ stützen : Er wurde als ehemaliger Illegaler und Alter Kämpfer der NSDAP sowie
Träger der Ostmark-Medaille vorgestellt, der in den vergangenen Jahren zwar weniger
publiziert habe, der aber im Auftrag des Auswärtigen Amtes ein diplomatisches Weißbuch
über Österreich 1918–1938 vorbereite, an der Wiener Universität einen Lehrauftrag für
deutsche und europäische Geschichte von 1870 bis zur Gegenwart inne hatte und als
Wiener Archivar die Archivbestände zu Südosteuropa gut kenne. Dazu amtiere er als
Vizepräsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft in Wien und beherrsche Ukrainisch
und Kroatisch, in die ungarische Sprache werde er sich bald […] einarbeiten197. Borodaj-
kewycz’ Prager Befürworter war der exkommunizierte Priester und Historiker Eduard
Winter, der in der Reinhard-Heydrich-Stiftung sein eigenes Institut und später auch das
Archiv für osteuropäische Geistesgeschichte leitete198. Winter war sicherlich keine be-
194 UAP, Rektorat der Deutschen Universität, Besetzung der Lehrstühle der Philosophischen Fakultät, Nr. C2,
Lebenslauf von F. Valjavec, beigelegt zum Schreiben des Dekans an den Reichsminister vom 24.07.1942.
195 Ebd. Trotz des Scheiterns der Berufung Valjavec’ nach Prag wurden die „Südostforschungen“ seit Mitte 1942
in Zusammenarbeit mit der Reinhard-Heydrich-Stiftung herausgegeben. Der Redaktionsausschuss wurde
um Beyer und Eduard Winter erweitert, nicht aber um Borodajkewycz, der in Prag eigentlich fachlich am
meisten geeignet gewesen wäre.
196 Ebd.
197 Ebd, Lebenslauf Borodajkewycz, beigelegt zum Schreiben des Dekans an den Reichsminister vom
24.07.1942.
198 Zu Winter siehe Jiří Němec, Eduard Winter (1896–1982). „Eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der
österreichischen Geistesgeschichte unseres Jahrhunderts ist in Österreich nahezu unbekannt“, in : Österrei-
chische Historiker 1900–1945 1 (wie Anm. 25) 619–676 ; Ders., Eduard Winter 1896–1982. Zpráva o
originalitě a přizpůsobení se sudetoněmeckého historika (Brno 2017) ; Ines Luft, Eduard Winter zwischen
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625