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Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984) 579
seres Freundes Dubsky, im Jänner einen Volltreffer erhalten hatte. Mitte April machte ich
aber dann nochmals einen Abstecher nach Salzburg und verlebte dort noch schmerzlich-schöne
Abschiedstage mit Glaise, Toni Böhm, der inzwischen, wie Du vielleicht weisst, auch in Haft
genommen wurde, mit Otto Müller und Karl Anton Rohan. […] In letzter Minute gelangte
ich noch heil zu meiner Familie zurück und habe mit ihr in der stillen Zurückgezogenheit
dieses Dorfes an der böhmischen Grenze das vergangene Jahr verbracht228.
6. Borodajkewycz’ „geschichtswissenschaft“ Bis 1945
Das erste und einzige Fachbuch, das Borodajkewycz bis 1945 publizierte, war seine Studie
über die Münchener Jahre des jungen und späteren Prager Historikers Constantin Höfler
aus dem Jahr 1935229. Es war weniger eine strenge biographische Arbeit, denn ein Versuch,
das späte geistige Zentrum um den Philosophen Friedrich Schelling in München darzu-
stellen. Höflers geistige Entwicklung wirkte in der Darstellung als ein Spiegel, in dem
Wandlungen des religiösen Denkens im 19. Jahrhundert in Deutschland, nämlich jene
von einem romantisch-idealistischen zu einem ausgeprägt katholischen Weltbild hin, ver-
bunden mit den Lehren Friedrich Schellings und Johann Görres’, erkennbar wurden. In
der methodisch und sprachlich angeblich meisterhaften Studie gelang es Borodajkewycz
zu zeigen, wie „das Allgemeine“, die Geistigkeit der Zeit, in der Einzelpersonen wirkt[e]230.
In der fachlichen und literarischen Öffentlichkeit wurde das Werk auch geschätzt als ein
Musterbeispiel dafür, wie sich an einem Einzelschicksal das Schicksal der Volksgemeinschaft
enthüllen und erfüllen konnte231.
Die Höfler-Biographie, dazu eine synthetisierende, gesamtdeutsch gestaltete Darstel-
lung der österreichischen Kirchengeschichte im Sammelwerk „Österreich. Erbe und Sen-
dung im deutschen Raum“ und zwei gründliche Kleinstudien in der Festschriften für
228 NÖLA, NL Ernst Klebel, Kt. I, Mappe 2, Schreiben Borodajkewycz’ an Klebel vom 09.04.1946. Stefan
Eminger danke ich herzlich für den Hinweis auf diese wichtige Korrespondenz und die freundliche Versen-
dung von Kopien.
229 Borodajkewycz, Deutscher Geist und Katholizismus (wie Anm.77). Im nachfolgenden Jahr erschien unter
seiner Autorschaft eine zweisprachige Broschüre mit der Würdigung des Werkes des Geographen Konrad
Miller (1844–1933) ; dessen sämtliche Publikationen waren nach seinem Tod dem Direktorium der Salzbur-
ger Hochschulwochen als Grundstein für eine geplante Lehrkanzel für historische Geographie in Salzburg
übergeben worden, siehe Taras Borodajkewycz, Konrad Millers Lebenswerk – Konrad Miller’s Life-Work
(Salzburg 1936) 8.
230 Xavier Schnieper, Vom Schelling zu Görres, in : Berliner Tagblatt. Sontags-Ausgabe Literatur der Zeit, Nr.
522 vom 10.11.1935.
231 Neue religiöse und theologische Literatur, in : Der Katholische Gedanke. Eine Vierteljahrschrift 9, 1936,
Heft 3, 264.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625