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584 Jiří Němec
außenpolitische Forschung248, über die Frage, unter welchen Titel das Buch erscheinen
sollte. Berber wolle sich mit meiner Arbeit billig seinen Hut schmücken, schrieb Borodaj-
kewycz eine Dekade später über den Grund des Streites249. Schließlich verzichtete Boro-
dajkewycz unter diesen Umständen auf die Publikation des gesammelten Materials. Dabei
blieb es bis Kriegsende, obwohl Borodajkewycz nach der Moskauer Deklaration zu Öster-
reich von 1943 versuchte, seine Quellensammlung mit Akten des Auswärtigen Amtes zu
ergänzen. Aber erneut gelang es ihm nicht, eine Bewilligung zur Akteneinsicht in Berlin
zu erhalten. Bei Kriegsende konnte Borodajkewycz seine Materialsammlung retten. In der
wiedererstandenen Republik Österreich – gemäß seinen Worten im offiziellen Österreich –
traf er allerdings auf kein öffentliches Interesse für eine Publikation der Dokumente über
den Anschlusswillen der Österreicher250. Und wie bereits erwähnt, scheiterten alle seine
Versuche, Unterstützung für seine Arbeit, etwa in der Bundesrepublik Deutschland, zu
erhalten251.
7. anstatt eines epilogs : wege der kontinuität im Befreiten
österreich
Mit der gesetzlichen Auflösung der „Deutschen Karls-Universität“ in der wiedererstande-
nen Tschechoslowakei verlor Borodajkewycz endgültig seine Prager Hochschulstelle. Er
verbrachte 15 Monate im oberpfälzischen Dorf Neuenhammer und entschloss sich im Juni
1946, mit seiner Familie Deutschland zu verlassen. Er wollte und musste wegen seiner
Familie das Leben eines Privatgelehrten und Pensionisten beenden und zog nach Österreich,
glaubte aber nicht daran, wieder in den österreichischen Staatsdienst eintreten zu können :
Ganz ausgezeichnet fand meine Frau die Haltung der kirchlichen Kreise in Österreich, die sich
übrigens auch alle sehr für mich einsetzten, erklärte er Klebel in einem Schreiben über einen
Besuch seiner Frau in Österreich. Auch Santifaller sprach von einem möglichen Wiedereintritt
ins Archiv. Ich halte aber solche Reden für Illusionen. Unter dem gegenwärtigen Regime und
248 Friedrich (Fritz) Berber (1898–1984) war Völkerrechtler und vom Auswärtigen Amt als Gesandter eingestuft.
Er fungierte als Herausgeber von Zeitschriften (Monatshefte für Auswärtige Politik, Jahrbücher für Auswär-
tige Politik) und zahlreicher nichtperiodischen Propagandaschriften, siehe Longerich, Propagandisten im
Krieg (wie Anm. 238) 53.
249 ÖStA KA, NL TB, Sig. B1251/7, Konzept eines Schreibens Borodajkewycz’ an einen unbekannten Adressa-
ten vom Jänner 1954.
250 Ebd., Konzept eines Schreibens Borodajkewycz’ an unbekannten Adressaten vom 21.02.1952. Siehe Quellen-
anhang.
251 Im Nachlass TB befindet sich leider kein Manuskript dieser Aktensammlung. Unter Sig. B1251/7 findet man
nur 29-seitiges Verzeichnis der abgeschriebenen Akten und Dokumente.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625