Seite - 585 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
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Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984) 585
seinem famosen Bundeskanzler werden für mich keine Blumen blühen, abgesehen davon, dass
es mir schwer fallen würde, diesem Staate als Beamter oder als Lehrer zu dienen. Sollte es mir
gelingen, meine politischen Personalia in Ordnung zu bringen, so möchte ich versuchen, im Ver-
lagswesen unterzukommen252. In Wien angekommen, nahm er ein Angebot seines Freundes
und Verlegers Otto Müller an und übernahm das wissenschaftliche Lektorat in dessen ehe-
mals großdeutsch und katholisch ausgerichteten Verlag. Dieser war 1941 vom NS-Regime
zur Liquidation bestimmt, einem Scheinverkauf unterzogen und im Herbst 1945 in Salz-
burg wiedereröffnet worden253. Unter Borodajkewycz’ Redaktion wurden in den folgenden
sechs Jahren neue Titel vorbereitet. Unter den Autoren befanden sich viele deutschnatio-
nale Geisteswissenschaftler und ehemalige Nationalsozialisten, so etwa die Kunsthistoriker
Hans Sedlmayr und Karl Öttinger, die Historiker Otto Brunner, Hans Koch und Otto
Höfler, der Literaturhistoriker Josef Nadler und der Volkskundler Viktor Geramb254. Es
gelang Borodajkewycz auch, einige der letzten Schriften Srbiks vom Verlag veröffentli-
chen zu lassen, so vor allem das zweibändige, von ihm editorisch eingehend bearbeitete
Werk „Geist und Geschichte vom deutschen Humanismus bis zur Gegenwart“255. Aus
252 Ebd.
253 Zu Otto Müller siehe Claudia Zinnagl, Art. „Müller, Otto“, in : NDB 18 (1997) 465–466, Onlinefassung
http://www.deutsche-biographie.de/pnd137856768.html (Letzter Zugriff 11.11.2014).
254 Im Gespräch mit Isabella Ackerl erwähnte er noch den Wiener NS-Dichter Josef Weinheber. Interview Ackerl
(wie Anm. 27) 2f. Koch und Höfler erwähnte Borodajkewycz in einem Schreiben an Höttl vom 10.08.1947
(Ebd., Sig. 1521/187). Besonders schätzte er in diesem Brief das bekannte Buch Sedlmayrs „Verlust der
Mitte“, dessen Titel von ihm herrühren soll. Zu Sedlmayr siehe Peter Haiko, „Verlust der Mitte“ von Hans
Sedlmayr als kritische Form im Sinne der Theorie von Hans Sedlmayr, in : Willfährige Wissenschaft (wie
Anm. 88) 77–88 ; Hans H. Aurenhammer, Das Wiener Kunsthistorische Institut nach 1945, in : Zukunft
mit Atlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955, hg. v. Margarette Gradner, Gernot Heiss, Oliver
RathkolB (Innsbruck/Wien/München/Bozen 2006) 174–188. Von Otto Brunner erschien „Adeliges Land-
leben und europäischer Geist. Leben und Werk Wolf Helmhards von Hohberg 1612–1688“ (Salzburg 1949).
255 ÖStA KA, NL TB, Sig. B1251/88, Schreiben Borodajkewycz’ an Srbik vom 04. und 28.12.1946 (Durch-
schlag). Am 04.12. schrieb Borodajkewycz : Nach unseren guten Informationen besteht leider gar keine Aussicht,
dass österreichische Autoren in der nächsten Zeit mit reichsdeutschen Verlagen irgendein Arrangement treffen kön-
nen. Ich persönlich würde kein Buch herzlicher begrüssen und lieber und getreuer in unsere Obhut nehmen als
Ihre „Deutsche Geschichtswissenschaft“. Ich hing an diesem Kolleg, das ja auch bei meiner eigenen bescheidenen
Doktorarbeit Pate stand, in ganz besonderer Weise und kam ja immer wieder mit der Bitte zu Ihnen, aus dieser
wunderbaren Vorlesung ein Buch zu machen. Es ist möglich, dass dieses Buch in den nächsten Monaten hier noch
nicht wird erscheinen können, aber das macht nichts, und einmal wird es ja doch herauskommen. Zudem hat
Müller in Salzburg den Vorteil, die Manuskripte und Bücher nicht der Zensur vorlegen zu müssen, wozu etwa alle
Wiener Verlage verpflichtet sind. Und am 28.12. schrieb Borodajkewycz : Ihre Andeutung, hochverehrter Herr
Professor, das Ihre „Geschichtswissenschaft“ noch verfügbar ist und auch von Ihrer Seite nicht ungern in die Obhut
unseres Otto Müller-Verlages gelegt werden würde, hat mich sehr begeistert. Es wäre für mich ein grosses Glück,
wenn ich die Geburt dieses grossen Werkes sorgend und helfend begleiten dürfte. Unter Borodajkewycz’ Redaktion
und Mitarbeit (Bearbeitung der Anmerkungen, gelegentlich Nachwort) erschienen von Srbik in Otto Müller
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625