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Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Seite - 591 -
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Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984) 591 Megalomanie“277. Obwohl ihn Hitler als Politiker enttäuscht hatte und er selbst mit der für ihn negativen Seite der parteilichen Bürokratie des NS-Regimes vertraut war, änderte sich nur wenig an dem Glauben an seine Idee von einem deutschen Volk in einem ge- samtdeutschen Mitteleuropa. Noch unter den Bedingungen der zweiten österreichischen Republik versuchte er, deutschnationale und ehemalige nationalsozialistische Kreise mit katholischen zu verbinden. So nahm er im Mai 1949 an der „geheimen“ Konferenz in Oberweis bei Gmunden teil, wo Gespräche zwischen der politischen Spitze der ÖVP und Repräsentanten ehemaliger Nationalsozialisten – darunter auch früheren SS-Mitgliedern – über Möglichkeiten und Bedingungen einer politischen Wiederbeteiligung der Letz- teren stattfanden. Der Text, der als Verhandlungsgrundlage gelten sollte, soll der Presse nach von Borodajkewycz ausgearbeitet worden sein278. Der ÖVP ging es um ein Zusam- mengehen aller antimarxistischen und -sozialistischen Kräfte, um einen Sieg der Sozi- aldemokratischen Partei Österreichs in den nachfolgenden Wahlen zu verhindern. Auf terreichs und der Sudetendeutschen mit Duldung und Zustimmung der Welt zum großdeutschen erweitert, und das politische Vakuum Mitteleuropas beseitigt. Mit der Einverleibung des Reststaates der Tschechen hatte Hitler wohl die Grenze des außenpolitisch Zumutbaren überschritten, aber auch dieser Übergriff hatte im Frühjahr 1939 keinen Krieg ausgelöst. Begnügte sich Hitler mit dem Erreichten, war ein Anlaß zu einem bewaffneten Konflikt in Europa […] nicht vorhanden […].“ Gegen diesen Aufsatz protestierte das österrei- chische Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten durch die Österreichische Botschaft in Bonn bei der Redaktion der Zeitschrift Parlament, und im Dezember 1964 wurde darüber im Ministerrat berichtet, weil Borodajkewycz das Thema in unverhüllt großdeutscher und nazifreundlicher Wiese behandelt hatte (ÖStA AdR, BM Unterricht, PA TB, Mündlicher Bericht an den Ministerrat, 15.12.1964). Das war auch Anlass zu einer Anfrage im Januar 1965 im Wiener Parlament seitens der SPÖ. Besonders anstößig empfand man die Stelle : „Es ist nur ein Teil der gesamtdeutschen Katastrophe, daß wir deutsche Österreicher zum zweiten Male innerhalb einer Generation das größere Vaterland verloren haben.“ Nach Meinung der SPÖ sollte gegen Borodajkewycz ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden. In einem Schreiben vom 01.02.1965 ver- suchte Borodajkewycz, dem Rektor der Hochschule für Welthandel, Walter Heinrich, diese Stelle zu erklären, die von einem – wie er sich ausdrückte – österreichischem Historiker deutscher Volkszugehörigkeit geschrieben worden war : Ich kann und darf mich als Lehrer und Forscher der Geschichte nicht nach Tagesmeinungen rich- ten, die einmal die Habsburgermonarchie nicht als unser ehemaliges Vateraland anerkennen wollen, weil sie ein Völkerkerker gewesen sei, ein anderes Mal dem grossdeutschen Reich diese Qualität absprechen. […] Dass das Hitlerregime sich im weiteren Verlauf als ein System der Rechtlosigkeit und der Willkür disqualifizierte, weiss ich ebenso wie die Anfragesteller und sah früher als andere einen Sieg Hitlers als eine Katastrophe für das deutsche Volk und für die Welt an. Dennoch haben hunderttausende Österreicher mit der Waffe in der Hand das grossdeutsche Vaterland verteidigt, darunter nicht wenige prominente Parteigenossen der Anfragesteller, die darauf verzichteten, Widerstand zu leisten. Ebd. (Abschrift). 277 Taras Borodajkewycz, Volk und Staat in Österreich, in : Europäische Begegnung. Beiträge zum west-östli- chen Gespräch 3 (1963) Heft 4, 198. 278 Siehe : Der Naziunterhändler mit dem Päpstlichen Orden und einem russischen Stipendium, in : Arbeiter- Zeitung Nr. 136 12.06.1949 1. Siehe dazu näher Hager, Hochschule (wie Anm. 1) 174f. Im ÖStA KA, NL TB befindet sich unter Sig. B1251/39 ein vierseitiger Text ohne Datum, Titel und Unterschrift, der dem Zweck einer Verhandlungsgrundlage gedient haben könnte.
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Österreichische Historiker Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Titel
Österreichische Historiker
Untertitel
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
Band
3
Autor
Karel Hruza
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20801-3
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
630
Schlagwörter
Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
  2. Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
  3. Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
  4. Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
  5. Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
  6. Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
  7. Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
  8. Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
  9. Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
  10. Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
  11. Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
  12. Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
  13. Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
  14. Abkürzungsverzeichnis 607
  15. Abbildungsnachweis 610
  16. Personenregister 611
  17. Autorinnen und Autoren 625
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