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598 Jiří Němec
tigt würden302. Wirtschaftsgeschichtliche Forschung über Sinn und Bedeutung geschicht-
licher Krisen, wirtschaftlicher wie auch gesellschaftlicher, konnte in der interdisziplinären
Zusammenarbeit zwischen Geschichtswissenschaft und anderen Wirtschaftswissenschaf-
ten auf seinem Lehrstuhl betrieben werden. Zugleich aber versprach Borodajkewycz, in
der Tradition der „Wiener geschichtswissenschaftlichen Schule“ zu lehren, nämlich „in
bescheidenem Abstand und unter veränderten Verhältnissen […] wie Heinrich von Srbik
es uns gelehrt und vorgelebt hat“303.
Borodajkewycz widemte sich hauptsächlich seinen Vorlesungen304. Seine sich über
vier Semester erstreckende Pflichtvorlesung über „Wirtschafts- und Sozialgeschichte von
den ältesten Zeiten über das Mittelalter bis zur neuesten Zeit“ (seit Anfang der 1960er-
Jahre mit besonderer Berücksichtigung der amerikanischen und russischen Geschichte)
wurde jedes Semester von durchschnittlich 2000 inskribierten Hörern besucht305. Seit
dem SS 1956 stand ihm Alois Brusatti als Assistent zur Seite, der sich mit einer Arbeit
über frühneuzeitliche Wirtschaftsgeschichte habilitierte und später einen Teil des Haupt-
kollegs übernahm. Besonders interessierten Studenten wurde eine Vertiefung in Form von
Wahlvorlesungen aus österreichischer Geschichte, Zeitgeschichte bzw. Vorgeschichte und
Geschichte des Zweiten Weltkriegs, Geschichte und Ideologie der russischen Revolution
usw. geboten. Zu Beginn 1960er-Jahre las Borodajkewycz über Themen wie „Ursachen
und Folgen der beiden Weltkriege“, „Vom Versailler Diktat zum Jahre 1945“, das „Dritte
Reich und der Zweite Weltkrieg“ oder „Hauptprobleme der Weltpolitik seit 1945“. Er
veranstaltete für Studenten auch weltanschauliche, also philosophische und geistesge-
schichtliche Kolloquien, wobei er konservative Deutungen präsentierte und damit eine
seiner Meinung nach an österreichischen Hochschulen fehlende politikwissenschaftliche
Bildung bieten wollte306. Inwieweit er neonazistische und antisemitische Meinungen vor-
trug, wie ihm sozialdemokratische Kritiker seit Mitte der 1950er-Jahre vorwarfen, kann
302 Ebd.
303 Ebd. 15.
304 Vgl. etwa seinen Aufsatz : Gewerbefreiheit und konservativer Geist, in : FS Walter Heinrich. Ein Beitrag zur
Ganzheitsforschung (Graz 1963) 371–387 ; oder der Essay : Von der Ökonomik zur Wirtschaftswissenschaft,
in : Oberösterreichische Nachrichten 97, 1961, Nr. 296 vom 23.12.1961 15f.
305 ÖStA AdR, BM Unterricht, PA TB, Antrag des Rektors auf Verleihung des Titels Ordentlicher Hochschul-
professor an Borodajkewycz vom 19.02.1963.
306 Neben dem Hauptfach der Geschichte hat dieser Lehrstuhl bereits seit Jahren eine Aufgabe übernommen, der an
den Hochschulen der freien Welt die in Österreich noch fehlenden Lehrkanzeln für politische Wissenschaften nach-
kommen, weil es der Wunsch der Hörer ist. Ebenso habe ich über Bitten der Hörer für das kommende Studienjahr
erstmalig ein Kolleg „Einführung in die Grundbegriffe und – Probleme der Philosophie“ angekündigt, nachdem
meine Übung im abgelaufenen Jahr „Versuche zur Diagnose unserer Zeit (Spengler, Jünger, Jaspers, Guardini,
Sedlmayer, Freyer)“ auf so grosses Interesse und freudige Mitarbeit stiess. Ebd., Schreiben Borodajkewycz an Bun-
desminister für Unterricht vom 29.07.1963.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625