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Die Welt von Gestern - Erinnerungen eines Europäers
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Über Europa hinaus Ist die Zeit damals schneller gegangen als heute, da sie überfüllt ist mit Geschehnissen, die unsere Welt für Jahrhunderte von der Haut bis in die Eingeweide verändern werden? Oder erscheinen mir diese meine letzten Jugendjahre vor dem ersten europäischen Kriege nur deshalb ziemlich verschwommen, weil sie in regelmäßiger Arbeit verliefen? Ich schrieb, ich veröffentlichte, man kannte in Deutschland und außerhalb schon einigermaßen meinen Namen, ich hatte Anhänger und – was eigentlich mehr für eine gewisse Eigenart spricht – schon Gegner; alle großen Zeitungen des Reichs standen mir zur Verfügung, ich mußte nicht mehr einsenden, sondern wurde aufgefordert. Aber innerlich täusche ich mich keineswegs darüber, daß all das, was ich in jenen Jahren tat und schrieb, für heute ohne Belang wäre; alle unsere Ambitionen, unsere Sorgen, unsere Enttäuschungen und Erbitterungen von damals dünken mich heute recht liliputanisch. Zwangsweise haben die Dimensionen dieser Zeit unsere Optik verändert. Hätte ich vor einigen Jahren dies Buch begonnen, ich würde erzählt haben von Gesprächen mit Gerhart Hauptmann, mit Arthur Schnitzler, Beer- Hofmann, Dehmel, Pirandello, Wassermann, Schalom Asch und Anatole France (das letzte war eigentlich ein heiteres, denn der alte Herr servierte uns den ganzen Nachmittag unanständige Geschichten, aber mit einem überlegenen Ernst und einer unbeschreiblichen Grazie). Ich könnte von den großen Premieren berichten, der zehnten Symphonie Gustav Mahlers in München, des ›Rosenkavaliers‹ in Dresden, von der Karsawina und Nijinski, denn ich war als beweglich neugieriger Gast Zeuge von vielen ›historischen‹ künstlerischen Ereignissen. Aber alles, was nicht mehr Bindungen zu den Problemen unserer heutigen Zeit hat, bleibt verfallen vor unserem strengeren Maß für Wesentliches. Heute erscheinen mir längst jene Männer meiner Jugend, die meinen Blick auf das Literarische hinlenkten, weniger wichtig als jene, die ihn weglenkten zur Wirklichkeit. Dazu gehörte in erster Linie ein Mann, der in einer der tragischsten Epochen das Schicksal des Deutschen Reiches zu meistern hatte, und den der eigentlich erste Mordschuß der Nationalsozialisten elf Jahre vor Hitlers Machtergreifung getroffen hat: Walther Rathenau. Unsere freundschaftlichen Beziehungen waren alte und herzliche; sie hatten auf sonderbare Weise begonnen. Einer der ersten Männer, denen ich schon als Neunzehnjähriger Förderung verdankte, war Maximilian Harden, dessen ›Zukunft‹ in den letzten Jahrzehnten des wilhelminischen Kaiserreichs eine entscheidende Rolle spielte; Harden, von Bismarck, der sich seiner gern als Sprachrohr oder Blitzableiter bediente, persönlich in die Politik hineingeschoben, stürzte 135
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Die Welt von Gestern Erinnerungen eines Europäers
Titel
Die Welt von Gestern
Untertitel
Erinnerungen eines Europäers
Autor
Stefan Zweig
Datum
1942
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
320
Schlagwörter
Biographie, Litertaur, Schriftsteller
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 5
  2. Die Welt der Sicherheit 10
  3. Die Schule im vorigen Jahrhundert 29
  4. Eros Matutinus 56
  5. Universitas vitae 74
  6. Paris, die Stadt der ewigen Jugend 98
  7. Umwege auf dem Wege zu mir selbst 122
  8. Über Europa hinaus 135
  9. Glanz und Schatten über Europa 145
  10. Die ersten Stunden des Krieges von 1914 160
  11. Der Kampf um die geistige Brüderschaft 177
  12. Im Herzen Europas 189
  13. Heimkehr nach Österreich 208
  14. Wieder in der Welt 224
  15. Sonnenuntergang 240
  16. Incipit Hitler 263
  17. Die Agonie des Friedens 286
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