11 Portraits
Portraits sind für jeden Künstler einträgliche Auftragswerke. Im Falle Kurt Regscheks ist das nicht anders. Doch enthalten alle seine Portraits zusätzliche Motive. Einerseits meint der Künstler, eine Hand allein sei langweilig, daher müsse sie immer etwas halten oder tun, andererseits wird meist ein für die porträtierte Person oder ihr Wesen charakteristisches Objekt (»Attribut«) beigefügt. Kurt Reg-schek hat im Laufe seines langen künstlerischen Wirkens auch eine Reihe von ausdrucksstarken Selbstporträts geschaffen.
Metaphysisch
1962 ist Kurt Regschek 39 Jahre alt. Sein Haar ist voll und er trägt einen charakteristischen Backenbart. Die beiden Gesichtshälften sind nicht symmetrisch dargestellt: während die rechte, etwas dunklere, den Eindruck des in sich Ruhens macht, erweckt die linke, in helleres Licht getauchte, den Eindruck des Fragens oder Zweifeins. Kurt Regschek nennt das Bild selbst »metaphysisch«, wozu die Fledermaus als »mystisches Zwischenwesen« gut passt. Ist dieses Tier ja einerseits Säugetier, andererseits flugfähig wie ein Vogel. Fledermäuse werden erst in der Dämmerung aktiv - auch insofern sind sie »Zwischenwesen«. Vielleicht ist auch ihre große Sensibilität - das Navigieren mittels Ultraschallsignalen - etwas, was den Künstler anspricht. Nicht zufällig nimmt der Fledermauskopf auch ein wenig die Züge eines Hundes an (die tropischen Flughunde sind die größten Fledermausarten mit bis zu 170 cm Flügelspannweite). Die taufrische Rose, die zweite Beigabe zu diesem Selbstporträt, bildet mit dem Fledermauskopf ein Dreieck - ein wichtiges Gestaltungsprinzip vieler Bilder. Dadurch entsteht eine mystische Beziehung Pflanze-Tier-Mensch.
Frage an Kurt Regschek:
Das ursprüngliche Bild »Zauber am Meer« (1960) wurde später geteilt und der obere Teil zum Bild »Ich und Du« überarbeitet. Es zeigt den damals 40-jährigen Kurt Regschek und seine Frau Lisl, vereint durch eine dampfende Teekanne, die ein wenig an Aladins Wunderlampe erinnert. Wie viele Künstler, stellte auch Kurt Regschek gerne Gegenstände des Alltags bildlich dar. Der austretende Teedampf ist ein Symbol für den geistigen Einklang der Eheleute.
Ein »Internationaler« in Vorarlberg
Kurt Regschek über Max Haller:
Aus dem obigen Zitat geht klar hervor, warum Kurt Regschek Max Haller so und nicht anders portraitierte. Dabei wird man nicht fehlgehen, wenn man das schwarze Barett, das der engagierte Politiker trägt, mit jenem der alten Spanienkämpfer oder vielleicht sogar mit Kopfbedeckung von Ernesto Che Guevara (1928-1967) in Verbindung bringt.
Max Haller
Geboren am 13.10.1895, erhält der Bregenzer Arbeitersohn Max Haller eine Ausbildung zum technischen Zeichner. Mit 19 Jahren wandert er völlig mittellos nach Argentinien aus. Dort ist er als Lehrer, Pflanzer, Bahnarbeiter und Kabelleger tätig. Als guter Sportler wird er Funktionär des argentinischen Leichtathletikverbandes, lernt Spanisch und besucht Vorlesungen an der Universität u.a. bei Ortega y Gasset. So werden ihm Kenntnis und Verbreitung der spanischsprachigen Literatur zum Lebensziel.
1920 Rückkehr nach Vorarlberg, in der Folge freier Journalist, Sprachlehrer und selbständiger Bauleiter. Wegen »kommunistischer Umtriebe« zweimal verhaftet, kann er seine wohl auf die in Südamerika erlebte Not und Ungerechtigkeit zurückgehende politische Einstellung ab Kriegsende frei bekennen. Von Juni bis Dezember 1945 ist er Vizebürgermeister von Bregenz, bis 1947 Stadtrat, bis 1965 KPÖ-Gemeinderat. Seit 1945 Landesleiter der KPÖ Vorarlberg, 1948-1969 Mitglied des ZK der KPÖ. Kulturberichterstattung in der »Volksstimme« bis 1970. 1954 und 1956 Begegnungen mit Pablo Picasso. 1971 Verfasser der ersten umfangreichen Monografie über den Vorarlberger Maler Rudolf Wacker. Übersetzung von mehreren Werken des spanischen Dichters Garcia Lorca. Haller starb am 19.7.1971. In den Jahren 1992 und 1993 Ausstellung »Max Haller. Ein Internationaler - Literatur, Kunst, Politik« in Bregenz und Wien.
Geliebte Frau mit Katze
Wie erwähnt, spielten Katzen im Leben des Künstlers eine große Rolle. Bei diesem Porträt von Lisl Regschek beachte man die liebevolle Verwandlung zweier realer Katzen in geflügelte »Pussy-Putten«, die mit einem von ihnen gehaltenen Tuch die Gestaltung eines räumlichen Hintergrundes übernehmen. Leider existiert von diesem Werk keine Farbabbildung - sie würde zeigen, dass die Farbwahl der »Madonna« den Usancen der Renaissance entspricht: dunkelblaue Kleidung vor dunkelrotem Vorhang.
Indianische Stammesweisheit?
Eine der Hauptthesen des als Schamane auftretenden Amerikaners besagt, dass Männer in sich nicht nur das Bild ihrer selbst als kleiner Bub tragen, sondern auch Elemente der Frau und des kleinen Mädchens. Das männliche Prinzip gleiche der Sonne (außenorientiert), das weibliche der Erde (innenorientiert) . Beide sollen nicht miteinander konkurrieren, sondern einander in ihrer Gegensätzlichkeit ergänzen, um jenes Gleichgewicht zu schaffen, dass unserer Zivilisation fehlt. Dabei spiele die Sexualität eine große Rolle. In ihre Geheimnisse sei er von seiner indianischen Großmutter »Spotted Faum« eingeweiht worden.
Kurt und Lisl Regschek hatten den Esoteriker durch die Vermittlung von Arnold Keyserling kennengelernt. Auch er wurde von Kurt porträtiert.
Ganzheitliches Denken
Arnold Keyserling wurde 1922 als Sohn des Philosophen und Schriftstellers Hermann Graf Keyserling geboren. Er war über drei Jahrzehnte lang Lektor für Religionsphilosophie am Institut für Kunstwissenschaften, Kunstpädagogik und Kunstvermittlung der Universität für angewandte Kunst Wien.
Seine persönlichen Lehrer waren der russische Esoteriker Georg Iwanowitsch Gurdjieff (1872-1949) und der österreichische Musiker Joseph Matthias Hauer (1883-1959), der noch vor Schönberg ein System der Zwölftonmusik entwickelt hatte. Keyserlings Forschung richtete sich auf die systematische Ordnung von Zahl und Sprache (Linguistik), Sinnesdaten - Tonwelt, Farbwelt, Materie -, auf den Zusammenhang von Mensch und Mikrokosmos, der seinen Ausdruck im »Rad«, dem Urbild des ganzheitlichen Denkens fand. Prof. Keyserling und seine Frau Wilhelmine waren mit Kurt und Lisl Regschek eng befreundet. Der Religionsphilosoph war bis zu letzt einer der wichtigsten Mentoren des Malers.Ein unkonventioneller Denker...
Kurt Regschek war 66 Jahre alt, als er dieses eher strenge Selbstportrait malte. Es zeigt ihn in Jeanskleidung, die er bis an sein Lebensende gerne trug. Zu dieser Zeit machte er viele Reisen durch Deutschland (Allgäu, Eifel) und stellte dort auch mehrmals aus.
...immer voll interessanter Einfalle
Die Auftraggeberin dieses Porträts ist Apothekerin in Jünkerath bei Stadtkyll in der Eifel.
Kurt Regschek:
Wahrscheinlich hatte der Künstler das satte Grün der Pflanzen und das Grünblau des Wassers der Grotte vor seinem geistigen Auge, als er das lange, rotblonde Haar der Auftraggeberin sah - oder war es tatsächlich esoterischer Gleichklang? Wie dem auch sei, es entstand ein Bild in der »harmonischen Gegensätzlichkeit« der beiden Farben Rot (braun) und Grün(blau), die ja auch in der Mode gerne kombiniert werden.
Der eine berühmte Freund...
Kurt Regschek:
Der Komponist Gottfried von Einem (1918-1996) wuchs in Deutschland und England auf. Er begann als Assistent der Bayreuther Festspiele, wurde 1944 Hauskomponist der Dresdner Staatsoper und wirkte ab 1946 in Österreich. 1963-73 war er Professor an der Wiener Musikakademie. In zweiter Ehe verheiratet mit der Schriftstellerin Lotte Ingrisch schuf der schon zu Lebzeiten international anerkannte Künstler zahlreiche eigenwillige Werke - für manche zu modern, für manche zu konservativ.
Opern: Dantons Tod, 1947; Der Prozess, 1953; Der Zerrissene, 1964; Der Besuch der alten Dame, 1971; Kabale und Liebe, 1976; Jesu Hochzeit, 1980; Ballette, Kammermusik, Film- und Bühnenmusik.
...und der andere
Der Künstler stellt seinen Freund, den bekannten Charakterdarsteller Fritz Muliar (geb. 1919), in der Rolle des alten Mannes im Pflegeheim dar, den dieser am Wiener Akademietheater gespielt hat. Berührend die verwelkten Schneeglöckchen, die offenbar einer der wenigen Besucher mitgebracht hat.
Kurt Regschek:
»Sibirien« (uraufgeführt 1989 in Telfs in Tirol) ist das wahrscheinlich erfolgreichste Stück von Felix Mitterer. Der Inhalt, so Mitterer,
© Bild und Texte Peter Diem und Anton Wladar
- Vom rechten Maß
- Einleitung
- Lebensgeschichte
- Kurt Regschek als Lehrer
- 01 Apokalypse, Krieg und Tod
- 02 Die Architektur und ihre Wurzeln
- 03 Zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit
- 04 Animistische Landschaften
- 05 Eros versus Sexus
- 06 Mutanten
- 07 Mythologie
- 08 Nature morte
- 09 Spiritualität
- 10 Landschaften
- 11 Portraits
- 12 Akt
- 13 Kakaniopolis
- Kurt Regschek und die Wiener Schule
- Interview mit Monika Bugs
- Stimmen von Freunden
- Ausstellungen und Ehrungen
- Bibliographie
- Bibliographie Kataloge
- Bibliographie Publikationen
- Bibliographie Quellen
- Index