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6 Mutanten

Vorbemerkung

Wie es das Wort »Mutant« (»der sich Wandelnde«) ausdrückt, handelt es sich bei den Bildern dieser Abteilung um Doppelmotive, die in einer fließenden Bewegung - ähnlich Vexierbildern - in einander übergehen. Dabei können die beiden Motive vor ihrer Vereinigung in einer sachlichen Wechselbeziehung gestanden sein oder auch nicht. Kurt Regschek hat sehr viele derartige Motive gemalt (»Hunderte«, darunter »viele Löwenmädchen«). Der geistige Hintergrund dieser Motive ist zweifellos in der griechischen und asiatischen Mythologie zu suchen. Beängstigend wirkt das Thema, wenn man es unter dem Aspekt der in den letzten Jahrzehnten angelaufenen Technik der Genmanipulation betrachtet - hat hier ein Künstler mit seinem besonderen Sensorium (böse) Entwicklungen vorausgeahnt?

Das Thematisieren von Gegensätzen - oft auch das Spielen mit solchen - ist charakteristisch für das Werk Kurt Regscheks. Immer wieder stößt man auf Gegensätze wie »oben versus unten«, »hell versus dunkel« oder »männlich versus weiblich«. Bei den Mutanten treffen sich gegensätzliche Motive aus der Welt des Menschen und jener der Tiere (Mensch versus Tier, Tier versus Tier - interessanterweise nicht Mensch versus Mensch - hier ist offenbar der Gegensatz nicht profund genug). Der Gegensatz ist praktisch immer in der Vertikalen angelegt, mit dem »höheren« (geistigen) Wesen oder Motiv oben, dem »niederen« (körperlichen) unten. So kann selbst Architektur von einer Substanz oder Form in die andere »mutieren«. In der Mitte des Bildes findet sich jeweils eine mit großer Sensibilität und höchstem handwerklichen Können gestaltete Übergangszone, in welcher das eine Motiv in das andere »fließend« übergeht. Obwohl sich diese Anordnung auch bei anderen Motiven findet - die Gegensätze können dort »Werden und Vergehen«, »Tag und Nacht« oder »Vergangenheit und Zukunft« lauten, wirkt die Gestaltung der Übergänge gerade bei Lebewesen besonders interessant. Ein Motiv, der »Hüter der Schwelle«, stellt selbst ein »Übergangswesen« zwischen Diesseits und Jenseits dar.

Der alte Oberbereiter
Der alte Oberbereiter (1970), Mischtechnik auf Holz, 98x78, PB

Mensch und Tier

Das Original ist ein Bild in Farbe (leider gibt es davon kein Farbdia), das aber auch in Schwarz-Weiß stark wirkt. Menschen, die mit bestimmten Tieren lange Zeit zu tun haben, werden diesen angeblich immer ähnlicher. Besonders deutlich sei das bei den pragmatisierten Bereitern der »Spanischen Reitschule« in Wien, meint Kurt Regschek. Er war als Schüler einige Zeit Eleve (ein Euphemismus für Stallbursch) in dieser auf das Jahr 1572 zurückgehenden Wiener Einrichtung. Das Bild sagt mit sparsamen Mitteln Wesentliches über das Ambiente aus: Im Hintergrund sehen wir eine der beiden Piladen, die dem Training von Piaffe, Levade und Kapriole dienen. Diese (deutlich phallisch wirkenden) Säulen sind traditionsgemäß mit den Farben Österreichs geschmückt. Das Besondere an der Dar´stellung eines imaginierten Mutanten - und auch das besonders Schwierige - ist die Gestaltung fließender Übergänge: fast unmerklich geht Motiv A in Motiv B über (und kehrt zuweilen, wie hier, wieder zu A zurück). Dabei geht es auch um die Proportionen, die so verschoben werden müssen, dass ein harmonisches Gesamtmotiv entsteht. Konkret sind bei diesem Bild Mähne und Nasenbein des Pferdes größenmäßig so reduziert, dass sie in das Antlitz des Bereiters passen. Vom Pferd stammen die Kopfumrisse, die verlängerte Nase sowie das Zottige von Mähne und Fell. Die lange Tradition, die hinter der Spanischen Reitschule in Wien steht, ist durch den müden Gesichtsausdruck des Bereiters, die angedeutete Uniform und durch den Zweispitz mit eingesetztem, echten (der Reitschule »abgerungenen«) Knopf in das Bild mit hineingenommen - hier geht es wieder um die Darstellung der vierten Dimension, der Zeit.

König des Zwischenreichs
König des Zwischenreichs (1973), Gouache, 27x19, PB

Materie und Geist

Ein Zwischending zwischen Mensch und Tier existiert nur in der Mythologie und in der Esoterik. Regscheks »König des Zwischenreichs« ist nicht nur Vertreter der Tier- und Menschenwelt sondern steht auch zwischen Materie und Geist. Außerdem fungiert er als Wächter zwischen Diesseits und Jenseits. In der vorliegenden Gouache haben sich die Züge eines löwenähnlichen Tiers und die Züge eines menschlichen Königs ineinander geschoben. Jedes Motivelement vereinigt Merkmale beider »Reiche«. So ist der Kopf des Mutanten runder als ein Menschenkopf, das Haupthaar ist auch Mähne, die Augen sind nicht so blank wie die eines Menschen, die Nase ist breit und die Mundpartie mutiert beinahe zur Gänze zum Tiermaul mit Fangzähnen, weil sie ja als Gegengewicht zur anthropomorphen Stirn -und Augenpartie dienen muss. Dennoch dominiert nicht der »reißende« Eindruck des wilden Tieres, eher behält der menschliche Teil in dieser phantastischen Verschmelzung zweier »Herrscherwesen« das Übergewicht. Das Tierreich wird als dunkleres »Unten« imaginiert, was durch amöbenartige, sich in kreisender Bewegung befindliche »körperliche« Formen ausgedrückt wird. Das Reich des Menschen liegt im helleren »Oben«, dessen vom Kopf ausgehende Strukturen leichter, nahezu gasförmig, also »geistig« dargestellt sind. Besonders kunstvoll ist die Darstellung der Krone des Mutanten, die ja die Würde beider Sphären zu symbolisieren hat. Zu diesem Zweck hat der Künstler die Krone teilweise entmaterialisiert, sodass nur die Edelsteine - das Wertvollste an der Krone - übrig geblieben sind (wenn sie sich nicht teilweise sogar in Wassertropfen verwandelt haben). Da die Edelsteine und Perlen aber in exakter symmetrischer Kronenform gegen einen leichten Halo schweben, bleibt die Krone jedenfalls als »Idee« erhalten.

Im Interview mit Monika Bugs definiert Kurt Reg-schek seinen »König des Zwischenreiches« wie folgt:

»Das ist der, der aufpasst, dass keiner, der noch nicht ins Jenseits gehört, ins Jenseits geht, und dass der, der hinein gehört, hin muss. Das ist der König des Zwischenreichs: Zwischen dem Leben und dem Tod gibt es einen Bereich, das Niemandsland. Daher haben die alten Griechen zwei Begriffe für weise Erkenntnis: Sophia und Aletheia. Sophia bedeutet Weisheit, Aletheia Wahrheit (Wissen). Der Lethe ist der Strom zwischen dem Diesseits und dem Jenseits. Und was ein Mensch, W. A. Mozart zum Beispiel, über den Fluss - über den Todesschock, Reinkarnationsschock, Geburtsschock - mitnimmt, das ist Alethea. Kein Mensch weiß, warum ein sechsjähriger Bub einen achtstimmigen Kanon so aufs Papier schreibt ohne Instrument. Oder dass Yehudi Menuhin perfekt Geige spielen konnte mit sechs, sieben Jahren. Das ist Alethea, nicht vergessenes Wissen aus einer früheren Inkarnation.«

General Geier
General Geier (1973), Gouache, 45x35, PB

Der Todesvogel

Dieses symbolische Antikriegsbild spricht für sich selbst: über dem hohen Stehkragen einer durch Epauletten und große Knöpfe kenntlichen Generalsuniform schwebt ein Geierkopf. Während Regschek dem einfachen Soldaten gerne einen einfachen Papier-Tschako aufsetzt, um das »Soldatenhandwerk« ad absurdum zu führen (vgl. sein »Werkzeug der Macht«, Seite 33), trägt General Geier in die- ser Gouache einen gewissermaßen »elaborierten« Papier-Hut. Der Kopf des (Aas)Geiers ist auf drei Elemente reduziert: große, scharfblickende Augen, der typische Geierbart und der mächtige Schnabel - bestens dazu geeignet, toten Tieren das Fleisch von den Knochen zu lösen. Das Bild besticht durch seine Reduktion auf wesentliche Merkmale zweier »Kreaturen«.

Minotaura
Minotaura (1975), Grisaille, 48x34, PB

Mehrfache Verfremdung

Kurt Regschek über das von ihm geschaffene Weib mit dem Stierhaupt:

»Dem männlichen Minotaurus stelle ich eine weibliche Minotaura gegenüber. Wo es ein männliches Wesen gibt, müsste es immer auch ein weibliches geben. Das ist in der Schöpfung so vorgesehen - es drückt die Dualität des Seins aus, die Gegensätze, die einander anziehen, ergänzen und zu einem höheren Ganzen verschmelzen.«

Wir haben es hier wieder mit einem Mutanten, besser: einer Mutantin, zu tun, bei welcher das menschliche Element das Übergewicht behält. Der - wie bei Regschek üblich - vollbusige Frauenköper trägt einen mächtigen Stierkopf. Die schwierige Übergangszone, der Hals (beider), ist geschickt kaschiert, da das Stiermaul und die an dieses zum Riechen gehobene Blüte räumlich davor liegen. Auch ohne die von zarter Hand gehaltene, langstielige Blume wäre das Bild bereits spannend genug. Doch die Minotaura erhält das gleiche phallische Attribut wie über ein Jahrzehnt davor der Katzaphrodit. Die helle, gefiederte Blüte (wie erwähnt, ist die Kaktusblüte ein Männlichkeitssymbol) ist der deutliche Zentralpunkt des Bildes - durch ihre Positionierung vor den Nüstern des Fabelwesens entsteht »Aktion« - riecht die »Stierin« daran, bevor sie die Blume verspeist oder sollen noch andere, genuin sexuelle Möglichkeiten angedeutet werden? Der Hintergrund des Bildes wird von zwei gegliederten Bogenformen bestimmt, die eine leichte Tiefenwirkung erzeugen - vermutlich soll damit das Labyrinth, in dem König Minos den Minotaurus gefangen hielt, angedeutet werden.

Kleines Nachtgeschöpf
Kleines Nachtgeschöpf (1977), Mischtechnik auf Papier auf Holz, 15x19, PB

Traumgesicht

Ein Traumgesicht kann die verschiedensten Formen annehmen. Bei diesem Bild handelt es sich um eine Art Vogelmensch mit Lichtkrone, der aus einem weinroten Vollmond hervortritt. Über einer menschlichen Mund-Nasen-Partie blicken Eulenaugen fragend aus der Nacht. Die beiden »Krallenhände« vereinigen Elemente der Greifwerkzeuge von Mensch und Tier in besonders gelungener Form. Die mit Edelsteinen besetzte Lichtkrone stellt wohl die geistige Energie dar, die von diesem Wesen auszugehen scheint. Wieder findet sich in der Mitte der »Weise« - jener besonders große Stein, den wir von der Reichskrone her kennen. Wenn wir das Bild auf uns wirken lassen, verstärkt sich der Eindruck, dass das kleine nächtliche Geschöpf keineswegs als Alptraum auftritt, sondern eher als Kobold, der seine im ersten Augenblick schreckenerweckende Anmutung mit einer Frage verbindet - etwa des Inhalts: »Was bist Du, Mensch, was hast Du mit Dir im Sinn?«

Pallas Athene
Pallas Athene (1994), Gouache, 27x37, PB

Die Göttin der Weisheit

Pallas Athene war für die Griechen die jungfräuliche Göttin des Krieges, des Friedens und der Weisheit. Sie war Namensgeberin und Burggöttin der Akropolis von Athen und trug Helm, Speer und Schild. Von den Römern als Minerva verehrt, galt sie diesen als Schutzgöttin der Handwerker, Lehrer und Künstler. Ihre Attribute waren die Eule und der Olivenbaum. Während die europäische Kunst diesen kauzigen Nachtvogel seit Jahrhunderten der Göttin auf die Schulter setzt oder zur Seite stellt, geht Kurt Regschek einen anderen Weg: die Göttin und ihr Attribut verschmelzen zu einer einzigen Physiognomie. Blickt man einer Eule am Tag in die großen, ausdrucksstarken - nachtsichtigen - Augen, erscheinen diese tiefgründig, nachdenklich, weise. Dazu kommt noch die spitze Form der (im Bild in Schwingen verwandelten) Ohren, von denen der Betrachter vermeint, sie müssten wohl auch noch das kleinste Geräusch im nächtlichen Wald registrieren. Anthropomorph ist auch die Eigenheit der Eule, von Zeit zu Zeit ihren Kopf ruckartig zu neigen, als wäre sie eine höfliche und aufmerksame Zuhörerin beziehungsweise Beobachterin ihres Gegenübers. So ist also die Eule nicht zufällig zum Symbol für Weisheit, Gelehrsamkeit und Belesenheit geworden. Der runde Kopf der Eule eignet sich auch vortrefflich zur Kombination mit einem weiblichen Antlitz. Im gegenständlichen Bild mutiert die obere Hälfte (der »geistige« Teil) zum Eulengesicht inklusive Schnabel, während die untere (der »organische« Teil) menschliche Wangen, Mund und Kinn umfasst. Die Nasenpartie bildet die Übergangszone, was durch die nasenähnliche Schnabelform der Eule vereinfacht wird. Um dem anthropomorphen Element genügend Gewicht zu geben, ist das Kinn rund und sind die Lippen sehr voll ausgeführt. Dennoch erlangt (im Gegensatz zum »König des Zwischenreichs«) in diesem Bild das tierische gegenüber dem menschlichen Element ein deutliches Übergewicht - die Symbolik des Attributs »Eule Weisheit« ist für Athene/Minerva im Endeffekt charakteristischer als jene des Attributs »Rüstung Herrschaft«.

Zebrella
Zebrella (1994), Gouache, 29x40, PB

Barbra Streisand, leicht verfremdet ...

In diesem Werk wird nicht einfach Mensch mit Tier verschnitten, sondern eine konkrete Person, nämlich die bekannte amerikanische Filmschauspielerin, Sängerin und Filmregisseurin Barbra Streisand (geb. 1942) mit Zügen eines Zebras versehen. Kurt Regscheks »Zebrella« entstand 1994, als Streisand bereits 15 ihrer bislang 17 Filme gedreht hatte. Durch ihre starke Persönlichkeit beeindruckte sie wohl auch Kurt Regschek. Besonders lebendig erscheinen die Augen der Schauspielerin, die oft in quirligen Rollen zu sehen war.


© Bild und Texte Peter Diem und Anton Wladar