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2 Die Architektur und ihre Wurzeln

Vorbemerkung
»Kurt Regschek ist ein besonders begabter Mann der Architekturmalerei. Seine Stephansdom-Bilder sind sehr eindrucksvoll und erfassen den Dom und die Stadt. Sie zeigen auf dem kleinen Raum den geistigen Inhalt des Doms und seiner Umgebung. Aber auch in kleineren Werken hat er das Essentielle, Charakteristische des Lebens eines Ortes eingefangen. Ich denke an das Bild von Schwallenbach« (Albert Fuchs)
Architekturdarstellungen spielen eine große Rolle im Schaffen Kurt Regscheks. Der Künstler hatte eine sehr ausgeprägte Auffassung vom Wesen und von der Funktion der Architektur. Sie beruhte auf einer genauen Kenntnis der abendländischen Kunstgeschichte und hing wohl auch mit der intensiven geistigen Auseinandersetzung Regscheks mit dem Gedankengut der Freimaurerei zusammen. Die folgenden Originalzitate aus Interviews mit dem Maler bezeugen sein besonderes Naheverhältnis zur Baukunst:
»Ich halte Architektur für die höchste Hervorbringung des menschlichen Anteils am Geist. Die Architektur ist auch die Mutter der Künste, denn ohne sie geht nichts«
»Die Architektur ist eine Anstrengung zur höheren Ehre der Gottheit«
»Die Architektur galt als die Mutter der Künste. Und das mit großem-Recht: Es bedarf dieser Vorstellung, dass ein Kunstwerk, egal welcher Kategorie - außer Musik, aber auch hier gilt das in weiterem Sinne - eines umbauten Raumes bedarf, um Kunst zu präsentieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Albrecht Dürers Allerheiligenbild in der Sahara wirkt. Auch bei Rubens' großen Schinken oder Picassos Guemica kann man sich nicht vorstellen, dass sie im Ozean mit der Bildseite nach oben schwimmend irgendjemanden reizen. Die Architektur ist die Mutter und in dem Bauch der Mutter ist Kunst möglich.« »Auch in Ägypten oder den diversen Höhlen sind die Malereien Teil der Bauwerke. Es erscheint mir als ein natürliches Bedürfnis eines Kunstwerkes, einen umbauten Raum zu schmücken, zu füllen. Und wenn ich jetzt noch den absolut geltenden Spruch des Plato hernehme: Kunst hat den Sinn und den Zweck, die Gottheit zu verherrlichen bzw. den Menschen zu verbessern. Wehe man nimmt das heute an, wenn man schaut, was die Herren so treiben oder die Damen, also die Künstlerinnen und Künstler.«

Mehrere Bilder dieses Abschnitts sind ihrem Konzept nach dem analytischen Kubismus verpflichtet, weil sie sowohl verschiedene zeitliche Phasen als auch verschiedene räumliche Perspektiven ein und desselben (architektonischen) Objekts in sich aufnehmen.

Maurische Ballade
Maurische Ballade (1962), Aquarell auf Pergament, 38x33, PB

Das arabische Erbe

Mit diesem Bild spricht Kurt Regschek vor über vierzig Jahren ein Thema an, das Europa nach vielen Jahrhunderten im dritten Jahrtausend in neuer Form beschäftigt und immer mehr beschäftigen wird: der partnerschaftliche Dialog mit der arabischen Welt, ihrer Geschichte und Kultur, der Europa so viel verdankt - als Alternative zu einer feindlichen Auseinandersetzung mit dem Islam mit ungeahnten Folgen.

Das nach einem Spanienaufenthalt 1962 entstandene Aquarell zeigt den für Regschek charakteristischen Aufbau, auf fester Grundlage erhebt sich ein sich nach oben verjüngendes Basis-Bauwerk, welches in ein anderes, zeitlich später angesetztes architektonisches Motiv übergeht. Die Mezquita Mayor, die »Große Moschee« von Sevilla, krönt die Mauern von Marrakesch, ihren eigentlichen geistigen Ursprung. Während das untere Bauwerk der Erde verhaftet scheint, strebt das obere nach himmlischen Bezügen. Insofern kann die ehemalige Moschee durchaus auch den Anspruch erheben, »Stadt auf dem Berge« (Mt 5,14) zu sein.

Der Bildtitel »Ballade« überrascht hier ein wenig, er ist wohl eine poetische Reminiszenz an Spanien - schließlich sind Gesang und höfische Dichtung maurischen Ursprungs.

Nacht und Morgen
Nacht und Morgen (1963), Mischtechnik auf Hartfaser, 62x25, NÖ Landesmuseum St. Pölten, Foto: Peter Böttcher

Die vierte Dimension

Das Motiv, dem eine mehrdimensionale Ansicht aus Schwallenbach, einem romantischen Ort in der Wachau am Südhang des Jauerlings, zugrunde liegt, wird in Mischtechnik auf Hartfaser in einem extremen Hochformat (60 x 25) dargestellt. Schon daraus wird die Absicht des Künstler deutlich: einen Zeitverlauf - ein Phänomen der vierten Dimension - mit den Mitteln der Malkunst - beschränkt auf zwei Dimensionen - darzustellen. Wie in diversen späteren Werken (vor allem in »St. Stephan vier-dimensional« 1964 und »Weißenkirchen zwischen Tag und Nacht« 1972) gelingt das nicht nur mit Hilfe des Formats, das eine Bewegung von unten nach oben begünstigt, sondern vor allem vermöge der gewählten Farben und Formen. Aus den Tiefen einer dunklen, felsigen Kellerwelt, die die Nacht symbolisiert, richtet sich der Blick nach oben, über eine harte Bruchlinie hinweg auf noch kalte Rauchfänge und verschränkte Dächer, bis er in der in den Taghimmel reichenden gotischen Kirchturmspitze endet. Die Trennung zwischen der Dimension unten/früher/dunkel und oben/später/hell ist hier, beim gerade 40-Jährigen - noch scharf. In späteren Werken wird die für Regschek charakteristische Übergangszone in der Bildmitte breiter und weicher - so als hätte sich mit der Zeit die Erkenntnis durchgesetzt, dass jeder Übergang - auch und gerade der Sonnenaufgang - fließend ist. Die sich nach oben verjüngende Dreiecksform findet sich bei Regschek immer wieder. In diesem, der Blütezeit des phantastischen Realismus zuzurechnenden Bild wird die zeitliche Dimension durch die unten dunkelblaue, oben orange-gelbe Sanduhr - eine »Lichtuhr« - beinahe überbestimmt. Ausführung und Komposition der traditionell aufgefassten Bauelemente Turm, Dach und Rauchfang spiegeln die Liebe Regscheks zur Architektur der Wachau wieder, die ja nicht nur als Naturlandschaft sondern auch als Kulturlandschaft zum Welterbe geworden ist.

St. Stephan 4d
St. Stephan vierdimensional (1964), Mischtechnik auf Holz, 85x69, PB

Der ewige Dom

Zeit und Raum sind wichtige Elemente im Werk Kurt Regscheks. So versucht der »Wienerischste aller Phantastischen Realisten« (Wieland Schmied) diese Phänomene auch an Hand des den Blick aus seinem luftigen Atelier beherrschenden Stephansdoms (erster Bau 1137 begonnen, Südturm 1433 vollendet) darzustellen. Das Motiv baut auf kubischen Steinblöcken (der roh behauene Stein der Freimaurer?) in den fahlbeleuchteten Katakomben des Doms auf, setzt sich im weitläufigen dunklen Innenraum mit Blick auf die große Orgel über der feingegliederten Empore fort und wird von einer in Orange gehaltenen Außenansicht von Nordosten gekrönt.

»Diesen Dimensionen steht als vierte die Zeit gegenüber, die für das Durchlaufen der drei Phasen notwendig war.«
Wie auch in vielen anderen Bildern, vermochte Kurt Regschek die Perspektive himmelwärts so zu verjüngen, als verwendete er ein starkes Weitwinkelobjektiv. Gerade bei der Darstellung von gotischer Architektur ist diese beinahe pfeilförmige Perspektive durchaus reizvoll. Der Farbverlauf von unten orangegelb über in der Mitte grün zu oben schwarzblau symbolisiert den langsamen aber stetigen Verlauf der Zeit (Vergangenheit/Gegenwart/Zukunft), aber auch den Übergang der Dimension Materie/Erde in die Dimension Geist/Himmel. Man beachte dabei das kleine Warnsignal, den Ewigkeitswert auch dieses steinernen Riesenbauwerks nicht zu überschätzen: links im Bild scheint sich einer der gotischen Spitzbogen in Luft aufzulösen oder verdampfend zum Himmel zu steigen. Damit enthält das vorwiegend von würdevoller Statik (Raum/Diesseits) getragene Bild ein weiteres dynamisches Element (Zeit/Jenseits).

Im Gespräch mit Monika Bugs meinte Kurt Regschek zum Thema seines vierdimensionalen Stephansdoms:

»Der ist total real. Nur ist er zur gleichen Zeit ein kubistisches Bild. Synthetischer Kubismus. Außen - innen - unten«.

Weißenkirchen zwischen Nacht und Morgen
Weißenkirchen zwischen Nacht und Morgen (1972), Öl auf Leinen auf Hartfaser, 64x45

Zeit und Raum

Auch in diesem Bild verjüngt sich das architektonisch bestimmte, im Detail ausgearbeitete Motiv von unten nach oben, um mit der Spitze des sonnenbeschienenen Kirchturms in das Blau des Himmels einzutauchen.

Unten im Bild ist die Figur des hl. Nepomuk, des in Österreich weit verbreiteten Brückenheiligen, zu erkennen. Aus der dunklen Nacht führt der Traum in das helle Licht des Tages. Die Übergangszone wird durch eine im Querschnitt gezeigte optische Linse gebildet, in welcher sich Bildelemente von unten und oben »sammeln«, verschneiden. Elemente des Nachtbildes kehren im Tagbild wieder. So mischt sich vor dem »inneren Auge« des Träumenden Dunkles/Unteres und Helles/Oberes - ein Erlebnis »zwischen Tag und Traum«. Die Kreation des Menschen erscheint wie auf einem Rollbild in den anonymen (oder besser: numinosen) Raum gehängt. Damit wird das Wechselspiel von Raum und Zeit symbolisch sichtbar gemacht.

Gemälde für die UNO City
Gemälde für die UNO-City (1979), Öl auf Leinwand, 150x270, Vienna International Center

»Die Welt kommt nach Wien herein« (Kurt Regschek)

Die unter Bruno Kreisky 1973 bis 1979 nach Plänen des österreichischen Architekten Johann Staber (4. Preis) in der Form eines »Y« erbaute »UNO-City« beauftragte einige Wiener Künstler, Werke für die künstlerische Ausgestaltung der Gebäude zu schaffen. Kurt Regschek legte einen Entwurf im Ausmaß von 50 x 90 cm vor. Er war der einzige Künstler, der den Bau selbst in sein Bild aufnahm. Wenn das fast drei Meter breite Ölgemälde (es hängt im Raum AI/ RS3) auch insgesamt einen eher tristen Eindruck vermittelt, so vermag der Künstler doch den weltumspannenden Charakter der Vereinten Nationen und ihrer in Wien ansässigen Sonderorganisationen bildlich gut auszudrücken. Dies gelingt einerseits durch die Fortsetzung des Bogens, den die Architektur selbst beschreibt, über das ganze Bild, andererseits durch die Darstellung der Erde als der über ihr selbst aufgehende Planet gegen einen vom sonnenbeschienenen Mond gekrönten Nachthimmel. Wenn die Landschaft unter den Bauwerken wüst und leer ist, so kann das auch ausdrücken, dass den Vereinten Nationen eine große Aufgabe gestellt ist: die von vielen Katastrophen gezeichnete, unwirtlich gewordene Mutter Erde für die Menschen wieder bewohnbar zu machen.

Kurt Regschek über die Idee der Vereinten Nationen:

»Es gibt nichts Besseres als zu verhandeln. Nichts ist billiger als zu verhandeln. Schießen kommt in jeder Hinsicht viel teurer. Am besten verhandelt man in einer Organisation wie der UNO.«

Die UNO hat 1990 eine Sondermarke mit diesem Bild herausgebracht.

Hier ist Kreta
Hier ist Kreta (1990), Öl auf Leinen, 75x100, PB

»Freiheit oder Tod...«

Kurt Regschek hat Kreta oft besucht und war von der wechselvollen Geschichte der Insel fasziniert. Er überlegte immer sehr genau, wie er ein historisches Thema künstlerisch zu verorten hatte, denn »hinter jedem Mythos steht ein Topos«. In seinem ausführlichen Gespräch mit Monika Bugs gibt uns der Künstler eine Einführung in die Bedeutung dieses luftigen Bildes über die für die Geschichte Griechenlands so bedeutsame Insel Kreta.

»Das ist Kreta in der Vogelschau und das Moni (Kloster) Arkddi. Kreta wurde sehr oft eingenommen - von den Türken und den Venezianern. 1866 war die letzte große Schlacht um Kreta. Das schwer zugängliche Kloster war ein Zentrum der Aufständischen. Fast 1000 Personen, darunter nur etwa ein Drittel Kämpfer, hatten sich dorthin geflüchtet und waren in der Pulverkammer versammelt. Statt sie den Türken auszuliefern, hat sich der Abt mit ihnen in die Luft gesprengt. Denn er wusste, was die Türken mit den Leuten gerne tun: pfählen und vierteilen. Dort ist eine Zypresse gestanden, die war über 100 Jahre tot. Plötzlich hat sie zu treiben begonnen. Sie treibt und treibt. Und die Kreter sagen: das ist ein sicheres Zeichen, dass Kreta ewig leben wird. Die Freiheit.«

Bei den Stichworten Kreta und Freiheit erwähnt Kurt Regschek das 1950 erschienene Buch von Ni-kos Kazantzakis »Kapitän Michalis«, das auch unter dem Titel »Freiheit oder Tod« bekannt wurde. Das Hauptgebäude des 1587 errichteten Klosters mit dem für Griechenland charakteristischen offenen Glockenturm ist hier auf seine barockisieren-de Fassade beschränkt, die jedoch fest auf dem braunen Inselgrundriss steht. Die Tore sind offen und man sieht durch sie durch (sie sind »betaglich-tet«, wie der heraldische Fachausdruck lautet). Die uralte Zypresse ist bereits zu mehr als der Hälfte ergrünt, der Rest der hochragenden Äste »schläft« noch. Begleitet wird das Bild vom Kopf des Mino-taurus, dem Symbol Kretas - ein Motiv, das wir in verfremdeter Form bei den Mutanten (vgl. »Mino-taura« 1975) kennen lernen werden. Das ganze Bild strahlt in den lichten und leichten Farben Griechenlands, ohne dass seine Aussage unbestimmt bleibt: hier ist Kreta und hier bleibt Kreta.

Venezia, citta di vetro
Venezia, citta di vetro (1992), Öl auf Leinwand, 98x115, PB

La Serenissima

Viele Male besuchten Kurt und Lisl Regschek die Lagunenstadt - bis in die letzten Lebensjahre des Künstlers. Kein Wunder, dass zahlreiche Aquarelle von diesen Besuchen zeugen. Aber kein Bild drückt den Zauber der »Serenissima« besser aus als das mehr als einen Meter breite Ölbild über die »Stadt des Glases«. Die Stadt erschien Kurt Regschek als Ganzes gläsern, künstlich. So meinte er auch zu Monika Bugs:

»Ich habe mich gefragt: Warum sind die Säulen in Venedig, wenn es eine Glasstadt ist, nicht aus Glas? Und warum hängt von oben, wenn das das schönste Bühnenbild der Welt ist, nicht ein Luster herunter?«

Zunächst muss man sich einmal vergegenwärtigen, was es bedeutet, die Piazzetta menschenleer, ohne Sessel und Tische und nur von ein paar Tauben bevölkert, vor Augen zu haben. In makelloser Perspektive, die Architektur gegenüber der Wirklichkeit noch leichter, wird der Blick hinaus über die Lagune gezogen - die unerfüllbare Sehnsucht der Venezianer nach einer lichten Zukunft auf dem Meer ausdrückend. Eine besondere Bedeutung kommt den beiden dort befindlichen Säulen zu. Abgesehen davon, dass es sich um ein in der Freimaurerei bedeutsames Motiv handelt (Herodot berichtete von zwei Säulen vor dem Tempel des Herkules in Tyrus, der Heimat des Hiram: »die eine aus purem Gold, die andere aus Smaragd«), stehen die Säulen für die Souveränität Venedigs. Die rechte trägt den hl. Theodor, die linke den Markuslöwen. Regschek verwandelt den Marmor der Säulen in solides Glas: durch das Hellblau der linken und das Rostrot der rechten wird die Polarität, für die die Säulen stehen, noch verstärkt. In der oberen Bildmitte schließlich erscheint der paradigmatische venezianische Luster - Blattformen, Schirme und Glühbirnen in filigranem Weiß, unbeschwert aus einer duftigen Wolke hängend, Apotheose eines Traumbildes der Lagunenstadt.

St. Stephan vulkanisch
St. Stephan vulkanisch (1993), Mischtechnik auf Leinwand auf Holz, 73x92, PB

»Wann die Welt einmal stirbt...«

Mehr als ein Dutzend Mal hat Kurt Regschek den Dom gemalt. Von »St. Stephan vierdimensional« aus dem Jahre 1964 bis zu diesem 1993 entstandenen Bild spannt sich ein weiter Bogen. Der von seinen Kollegen manchmal schon »Der Meister von St. Stephan« genannte Künstler hatte sich vorgenommen, die Domkirche auch einmal aus der Nordwestansicht zu malen. Das war gar nicht so einfach, weil man sich ja schwer auf den belebten Platz zum Skizzieren setzen kann. So erwirkte Kurt Regschek die Erlaubnis des Chefs der Bankfiliale Ecke Brandstätte-Rotenturmstraße, vom Bürofenster im 1. Stock zeichnen zu dürfen. Ungestört und niemanden störend skizzierte er den Dom, um ihn zu Hause in Farbe auszuführen.

Das Bild ist eine Hommage an den Ewigkeitswert der Architektur. Von den bemalten Höhlen der Steinzeit über den Tempel Salomons bis zu den Kathedralen des Mittelalters - alles hatte einen sakralen Zweck, alle diese Bauwerke dienten der Verherrlichung Gottes. »Die Architektur ist die Mutter der Künste, ohne sie geht gar nichts«, meint der Künstler, und erklärt weiter, dass er den Stephansdom bei herrlichem Wetter zeichnete und dabei das alte Wienerlied im Ohr hatte:

Der Herrgott hat die große Welt
An allen Ort'n herrlich g'macht,
Doch unser Wien hat er fürwahr
Besonders schön und reich bedacht.
Rings schaut der Wald, der blühende Wein
In die verträumten Gasserln hinein
Und mitten drin, in all dieser Pracht,
Lieblich der Steffi lacht.
Und überall ein Singen,
ein Jauchzen und Klingen:
|:Wann die Welt amal stirbt.
and die Menschheit vergeht und verdirbt,
lebt noch fort mei liabs Wean
als ein leuchtender strahlender Stern:|

Während also die Welt verdorben und vergangen ist, zu Fels erstarrt und zu Sandbergen zerfallen, ragt der Stephansdom aus dem tiefen Krater der Vergänglichkeit empor. Mag auch sein Stein vergänglich sein, seine Idee ist unvergänglich. Auch hier bestechen wieder die breite, stabile Basis des Bildes und seine Kulmination in einer wie in den Himmel hineinreichenden Spitze. Während in der Dombauhütte noch ein letztes Licht zu schimmern scheint (vielleicht ein kleines Signal an die noch heute lebendige Freimaurerbewegung, die ja aus den Dombauhütten hervorging), tut sich genau unter dem Riesentor ein dunkler Felsspalt auf. Über die Sexualsymbolik der tiefen gotischen Gewändeportale mit ihren reich verzierten Archivolten und thematisch betonten Spitzen könnte man bei dieser Gelegenheit lange sinnieren - gerade an Hand des Westwerks des Stephansdoms, an dem ja das männliche und weibliche Genitale naturgetreu darstellt sind. Damit wird überdeutlich an die Vollkommenheit des Menschen in seiner gottgewollten Zweigeschlechtlichkeit erinnert.

St. Stephan nach der Sintflut
St. Stephan nach der Sintflut (1998), Öl auf Leinen auf Hartfaser, 100x120, Donau-Versicherung

»Auf diesen Felsen ...«

Im Verlauf seines künstlerischen Schaffens gelang es Kurt Regschek, den Dom, das unvergängliche Zentralsymbol seiner Heimatstadt Wien, mit den vier Elementen Erde, Feuer, Wasser und Luft in Verbindung zu bringen. In diesem Bild scheint der »ewige Dom« der Sintflut widerstehen zu können. Gewaltige grünlich-graue, kalte Wellen brechen sich an seiner Nordflanke, als stürmten sie direkt vom Atlantik herein, und schlagen an der Canisiuskanzel und an der kleinen Kruzifixkapelle, in der einst der Leichnam Mozarts eingesegnet wurde, hoch. Doch ungerührt steht die Kirche da - gleich den Felsen, die rechts im Bild aus den Wassern ragen. Die Szene erinnert an die Bibelstelle »Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. (Matt. 16:18). Und doch - zeigt der Dom nicht eine kleine Neigung, ein unmerkliches Schwanken? Will der Künstler damit vielleicht andeuten, dass auch ein gotischer Dom wie St. Stephan nicht davor gefeit ist dereinst unterzugehen? War nach dem verheerenden Brand 1945 das Ende nicht schon beinahe da? Bei einem so sensiblen und nachdenklichen, Künstler, wie Kurt Regschek einer war, kann man nie wissen, ob eine minimale Andeutung bewusst gesetzt oder unbewusst »passiert« ist.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Kurt Regschek seine Hauptwerke meist erst nach langer geistiger Vorbereitung in Angriff nahm und dass ihre Ausführung oft Monate, ja Jahre in Anspruch nahm.

Maria am Gestade
Maria am Gestade (2000), Öl auf Leinwand, 150x125, Wiener Städische Versicherung

Eine ungewöhnliche Perspektive

Die Kirche Maria am Gestade hieß ursprünglich »Unsere (liebe) Frau auf der G'stetten« ( = Böschung), ab dem 18. Jahrhundert aber »Maria Stiegen«. Den heutigen Namen führt sie seit 1862. Die Anfänge des Gotteshauses liegen im Dunkel. Ein im 12. Jahrhundert errichtetes romanisches Kirchlein wurde nach einem Brand 1262 wieder hergestellt und 1350 um den leicht schräg angebauten gotischen Chor erweitert. Versteckt auf einer Anhöhe zwischen Wipplinger Straße und Salzgries deutet heute nichts darauf hin, dass der Bau einst weithin sichtbar die Salzschiffer grüßte, wenn sie nach langer Fahrt die Salzach, den Inn und die Donau abwärts zu ihren Füßen anlegten.

Kurt Regschek lässt uns mit seinem im Auftrag der Wiener Städtischen Versicherung gemalten großen Ölbild Jahrhunderte zurückblicken - in eine Zeit, als die Donau mit ihrem schiffbaren Hauptarm noch bis an die Stadtmauer heranreichte. »Verortet« auf einem gleichsam im Raum gespannten Tuch - eine beliebte Grundform bei Regschek - blickt die durch ihr geknicktes Langhaus und den fein ziselierten Turmhelm kenntliche Kirche fast mütterlich auf den Donauarm herab. Das warme Braunrot des Gotteshauses mag ein Symbol für die frühe heimatkundliche Epoche sein, in die wir hier blicken. Wie üblich, gibt es bei Regscheks Architektur- und Landschaftsbildern weder Menschen noch Fahrzeuge. Die baulichen Gegebenheiten sollen ohne jede Ablenkung in Augenschein genommen werden. Die hochragenden Renaissancehäuser, die den Kirchenplatz entlang der steilen Stiegenflucht säumen, sehen aus wie heute, auch wenn sie von einem mächtigen grünen Baum beschattet werden. Friedlich, aber doch merklich bewegt (schließlich ist sie, bzw. war sie, ein schnell fließendes Gewässer) fließt eine vorindustriell blaue Donau das nur leicht befestigte Ufer entlang - so sauber, dass sich das stattliche Gotteshaus - symbolisch - darin zu spiegeln vermag. Die unverhofft auftauchenden Felsen deuten an, dass sich nördlich des Schifffahrtsweges viele Inseln und Donauarmen befanden, denn damals gab es ja noch keinen »Donaustrom«. Das Idealbild für einen Topos, der heute kaum mehr Mythos ist.


© Bild und Texte Peter Diem und Anton Wladar