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175 Jahre Eisenbahn in Österreich: Am 23. November 1837 fuhr offiziell die erste Dampflok von Floridsdorf nach Deutsch-Wagram. Anfangs war die Bahn ein Luxus-Liner auf Schienen, heute sollte sie vor allem mit niedrigen Preisen und modernen Waggons Fahrgäste locken.#


Von der Wiener Zeitung (Freitag, 23. November 2012) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Mathias Ziegler


Dampflok
Dampflok
© Arndt Buethe - Fotolia

Kaum hatte Wien die wunderähnliche Erscheinung des Dampfschiffes "Maria Anna" mit Jubel begrüßt, als ein anderes nicht minder anziehendes Schauspiel seine Bewohner neuerdings in freudige Bewegung setzte. Dieses Schauspiel both am 23. November die Kaiser Ferdinand Nordbahn, indem an diesem Tage auf der nun vollendeten Strecke von Floridsdorf nach Deutsch-Wagram die von der Regierung angeordnete Probefahrt vorgenommen wurde. So umfassende Unternehmungen, wenn sie in’s Leben treten, erregen mächtig die allgemeine Theilnahme, da sie einer Seits die Macht des menschlichen Geistes über die Naturkräfte bethätigen, anderer Seits die mannigfaltigsten Lebensinteressen berühren. (. . .) Die Rückkehr der Colonne verkündete zuerst die am Horizont aufsteigende Dampfsäule; sie kam näher! Schon unterschied man den Wagenzug, lauter und lauter ertönte das Gebrause und Gerassel der arbeitenden Maschine, und endlich flog der imposante Zug mit Sturmwindseile daher; ein herrliches imposantes Schauspiel.

Die "Wiener Zeitung" berichtete anno 1837 voller Enthusiasmus über das Großereignis, das am 23. November vor den Toren Wiens gefeiert wurde: die erste Dampflokfahrt in Österreich. Oder, exakter formuliert: die erste offizielle; denn wie Franz Wolf in einer Lithografie für das "Journal pittoresque" festgehalten hat, fanden bereits am 13. und 14. November erste Probefahrten statt. Trotzdem gilt der 23. November - der Tag, an dem die englische Lokomotive "Austria" mit geladenen Gästen von Wien-Floridsdorf nach Deutsch-Wagram dampfte - als die offizielle Geburtsstunde der Eisenbahn in Österreich. Die ÖBB feiern den 175. Geburtstag auf den Tag genau mit einem großen Festakt heute, Freitag, im Bahnhof Tullnerfeld (14-18 Uhr; Details: www.oebb.at/infrastruktur). Wobei der eigentliche Anlass die Fertigstellung der Neubaustrecke von Wien-Meidling (und bald auch vom neuen Hauptbahnhof) bis nach St. Pölten durch den Lainzer Tunnel ist, wie ÖBB-Sprecher Herbert Ofner erklärt. "Der 23. November hat sich halt als Datum dafür schön ergeben, weil wir damit eben zugleich auch 175 Jahre Eisenbahn feiern können." Die Vergangenheit trifft hier also auf Gegenwart und Zukunft.

Das Österreichische Staatsarchiv hat das 175-Jahr-Jubiläum zum Anlass für eine Sonderausstellung genommen: Zu den Öffnungszeiten (Mo, Do 9-17 Uhr, Di, Mi 9-18 Uhr, Fr 9-13 Uhr) können Interessierte am Standort Nottendorfergasse 2 in Wien-Erdberg kostenlos Einblick in ausgewählte Konzessionsurkunden aus den Jahren 1844 bis 1888 nehmen. Immerhin lagern im Staatsarchiv an die 250 Urkunden für diverse Bahnstrecken. "Für jede Bahntrasse musste eine eigene Konzession erteilt werden, da auch die Rechte Dritter betroffen waren. Es geht darin um Finanzierung, Beschaffenheit des Geländes, Trassenführung", erklärt Roman-Hans Gröger, Eisenbahnexperte im Staatsarchiv. Ihn fasziniert vor allem die Machart der Urkunden, bei denen es sich oft um ganze Büchlein handelt: "Je technisch ausgefeilter die Strecke, desto mehr Seiten hat die Konzessionsurkunde." Viele beinhalten neben technischen Beschreibungen und den üblichen Floskeln zur Genehmigung durch Seine Kaiserliche Hoheit auch detaillierte Bebilderungen der Strecke oder angefahrener Städte. Kleine Kunstwerke also, die in ihrer Gesamtheit auch einen schönen Überblick über die Entwicklung des österreichischen Eisenbahnnetzes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geben.

Alles begann in England#

Eine Entwicklung, die freilich nicht in Österreich ihren Ursprung genommen hat. Denn die Wiege der (dampfbetriebenen) Eisenbahn liegt in Großbritannien. Nachdem bereits im 16. Jahrhundert die sogenannten Grubenhunte (auch: Grubenhunde) in Bergwerken auf hölzernen Schienen gefahren waren (Spurbahnen gab es übrigens schon in Steinbrüchen der Antike), wurde die Schienentechnik im 18. Jahrhundert weiterentwickelt: Die Spurrinnen wurden mit Eisen ausgelegt oder Holzschienen mit Eisen beschlagen, bis 1767 der Eisenhüttenbesitzer Richard Reynolds verschlissene Holzbohlenschienen der Hüttenbahn mit Gusseisenbarren auslegen ließ. Später ging man zu schmalen Schienen aus Gusseisen über, die auf hölzernen Unterlagen ruhten. Die erste Volleisenschienenbahn, die auch mehrere Anlieger bediente, war die 1795 eröffnete Derby Canal Railway. Die ersten Eisenbahnen wurden von Pferden gezogen, oft leer bergauf, um sie dann mit angezogener Handbremse und mithilfe der Schwerkraft voll bergab rollen zu lassen. Doch die voranschreitende Industrialisierung und die Erfindung der Dampfmaschine brachten auch hier einen Fortschritt: 1804 baute der Engländer Richard Trevithick die erste Dampflok. Sie soll fünf Wagen mit zehn Tonnen Fracht und zusätzlich 70 Personen in vier Stunden und fünf Minuten über die 15 Kilometer lange Strecke der Bergwerksbahn in Merthyr Tydfil in Südwales gezogen haben. Sie wurde zwar bald wieder vom Gleis genommen und als Walzantrieb verwendet, trotzdem war der Siegeszug der Dampfeisenbahn nicht mehr aufzuhalten. 1825 wurde zwischen Stockton und Darlington in Nordostengland die erste öffentliche Personeneisenbahn der Welt mit Dampfloks in Betrieb genommen.

Tunnel
Tunnel spielten schon immer eine wichtige Rolle in der Geschichte der österreichischen Eisenbahn. Der erste wurde 1841 eröffnet.
© Robert Deopito/OEBB

Insofern ist es kein Wunder, dass auch jene Lok, die im November 1837 die ersten Ausfahrten nördlich von Wien machte, aus einer englischen Fabrik stammte. Im März 1837 wurden insgesamt sechs Lokomotiven in Einzelteilen nach Triest verschifft und dann mit Fuhrwerken über den Semmering nach Wien gebracht und dort unter der Anleitung von englischen Fachleuten zusammengebaut. "Bei der Bestellung soll es übrigens Übersetzungsschwierigkeiten gegeben haben", sagt Rupert Gansterer, Vizepräsident des 1. Österreichischen Straßenbahn- und Eisenbahnklubs (1. Ösek), der das Eisenbahnmuseum in Strasshof an der Nordbahn betreibt, das insgesamt mehr als 300 Lokomotiven, Triebwagen und Waggons aus rund 150 Jahren Eisenbahngeschichte beherbergt (siehe Seite 10). "Aus der Zeit der ersten Dampflokfahrt auf der Nordbahn ist eigentlich nichts mehr erhalten", erklärt Gansterer. "Ältere Fahrzeuge, die zu schwach geworden waren, wurden aus dem Fahrbetrieb genommen und auf niedere Dienste umgestellt, etwa als Baufahrzeuge, und danach verschrottet."

Immer stärkere Loks#

So ist auch vom ersten fahrplanmäßigen Personenzug Österreichs, der am 6. Jänner 1838 um 9.30 Uhr den Wiener Nordbahnhof mit 218 zahlenden Passagieren verließ, nichts mehr übrig. Von der "Austria", der ersten Dampflok in Österreich, und deren Waggons existieren auch keine Originalfotos, der 1. Ösek konnte allerdings detaillierte Pläne auftreiben, die im Rahmen der heurigen Jubiläumsfeierlichkeiten im Strasshofer Heizhaus ausgestellt wurden. Wie Lok und Waggons bei der Jungfernfahrt tatsächlich ausgesehen haben, ist allerdings heute nicht mehr exakt nachvollziehbar. Feststeht, dass es vier Klassen gab. Die "Wiener Zeitung" notierte anno 1837 dazu:

Jeder zur Fahrt bestimmte Wagen der Colonne besteht aus drey Abtheilungen, je zu sechs Personen. Der Bau dieser Wagen und ihre innere Einrichtung läßt nichts zu wünschen übrig. Eleganz und Bequemlichkeit ist auf die ansprechende Weise in denselben vereinigt. Jeder der wohlgepolsterten Sitze ist mit Armlehnen und Ohren versehen. (...) Selbst bey dieser mittleren Geschwindigkeit der Fortbewegung, wo die Colonne in einer Secunde etwas über 27 Fuß (ungefähr 30 km/h, Anm.) zurücklegte, also mehr als das Doppelte, was ein Pferd in raschem Laufe in gleichem Zeitmaße zurücklegt (gewöhnlich 12 Fuß), erscheint die Kraft der Maschine noch staunenswerth, wenn man die fortzuschaffende Last in Erwägung zieht. Die Wagen, deren acht die Colonne bildeten, hatten jeder ein Gewicht zwischen 60 und 65 Ztr (rund 3,5 Tonnen, Anm.).

Die hier angesprochene Zuglast war in Österreich, wo 1854 die von Carl Ritter von Ghega geplante Semmering-Bahn eröffnet wurde, ein ständiges Problem, erklärt Gansterer: "Kaum brachten die Loks, eine gewisse Zuglast über eine gewisse Steigung, wurde diese wieder größer: Toiletten wurden eingebaut, Beleuchtung und Heizung, Speise- und Schlafwagen kamen dazu - also brauchte man wieder stärkere Loks." Obwohl die Waggons zunächst sehr klein dimensioniert waren, bezeichnet Gröger die frühen Eisenbahnzüge als "Luxus-Liner für die Oberklasse". Erst später, als die Preise gesenkt und die Strecken ausgebaut wurden, entwickelte sich die Bahn zu einem Massenverkehrsmittel.

Dafür war vor allem der Staat verantwortlich. Weil sich immer mehr private Investoren zurückzogen, die an der Profitabilität der Bahn zweifelten, wurden ab 1841 die Strecken in Österreich verstaatlicht. Die Nordbahn wurde nach Prag und Brünn ausgebaut, die Südbahn nach Triest. In technischer und betrieblicher Hinsicht agierte der Staat mustergültig, in den 1850ern ging ihm dann aber das Geld aus. Also wurde wieder der private Streckenbau forciert, freilich unter Inanspruchnahme staatlicher Eisenbahnkredite. Ein Blick in damalige Konzessionsurkunden zeigt die Vielfalt der Antragsteller, von einem Schwarzenberg-Rothschild-Konsortium über die Wien-Gloggnitzer Eisenbahn Gesellschaft der Freiherren Georg von Sina und Camillo von Vacani bis zur privilegierten Südbahngesellschaft, einer AG. Die meisten Privaten agierten beim Netzausbau allerdings vor allem profitorientiert. Projekte, die zwar volkswirtschaftlich sinnvoll gewesen wären, aber nicht lukrativ erschienen, blieben auf der Strecke.

Der Staat muss es richten#

1882 begann dann wieder die schrittweise Verstaatlichung des Bahnnetzes, und die k.k. österreichischen Staatsbahnen wurden gegründet. Im folgenden Jahr gab es neuerlich eine Premiere in Österreich: Die Lokalbahn Mödling-Hinterbrühl ging als erste elektrische Bahn Österreichs in Betrieb (die 4,5 Kilometer lange Strecke wurde 1932 stillgelegt). Auch für die Elektrifizierung der Eisenbahn war die Vorarbeit in Großbritannien geleistet worden. 1842 hatte der Schotte Robert Davidson seine elektrische Lokomotive "Galvani" auf der Bahnstrecke zwischen Edinburgh und Glasgow erprobt. Diese wurde aus einer Zink-Batterie gespeist und erreichte lediglich 7 km/h, wobei an Waggons gar nicht zu denken war. Im Betrieb war sie vierzigmal teurer als eine Dampflok mit Kohleverfeuerung - trotzdem soll die Kohle-Lobby so große Angst vor der neuen Konkurrenz gehabt haben, dass die in einem Schuppen abgestellte "Galvani" von Dampflok-Maschinisten zerstört wurde. In den Folgejahrzehnten wurde zunächst mit Batterien weiterexperimentiert. Erst 1875 schaffte Fjodor Pirozki im russischen Seebad Sestrorezk eine ortsfeste Stromversorgung mittels Fahrschienen. 1880 betrieb er auf einer präparierten Pferdebahnstrecke knapp einen Monat lang einen umgebauten doppelstöckigen Pferdebahnwagen, den einige Verkehrshistoriker als erste elektrische Straßenbahn der Welt betrachten. Die erste langfristig betriebene elektrische Straßenbahn der Welt war dann jene in Berlin-Lichterfelde im Jahr 1881, die Werner von Siemens konstruiert hatte.

Doch zurück nach Österreich: Dort wurde ab 1883 die Lokalbahn von Mödling in Richtung Hinterbrühl als erste elektrische Bahn in Etappen eröffnet. Die Konzession für den Abschnitt Mödling-Vorderbrühl ist im Staatsarchiv zu bewundern. Ursprünglich hatte das k.k. Handelsministerium 1881 der Locomotiv-Fabriksunternehmung Krauß und Comp. die Bewilligung dafür erteilt, doch dann konnte sich die konkurrierende Südbahngesellschaft aufgrund von lancierten Einsprüchen bei der Oberbehörde die Strecke sichern. Die Südbahngesellschaft gehörte damals zu Österreichs größten Bahnbetreibern, auch nach dem Zerfall der Habsburger-Monarchie 1918, mit dem die jeweiligen Teile des Netzes an die Nachfolgestaaten fielen. Schon damals existierten die heute bekannten großen Bahnverbindungen von Wien Richtung Brünn, Prag, Bratislava, Budapest, Graz und Salzburg samt zahlreichen Querverbindungen. Aus den k.k. österreichischen Staatsbahnen wurden zunächst die Deutschösterreichischen Staatsbahnen, dann die Öster-reichischen Staatsbahnen und am 10. November 1920, dem Tag des In-Kraft-Tretens der neuen Bundesverfassung, die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Sie standen zunächst in unmittelbarer Staatsverwaltung und wurden erst aufgrund des Bundesbahngesetzes vom 19. Juli 1923 ein eigener Wirtschaftskörper. Sie führten das schon in der Monarchie erstellte Elektrifizierungsprogramm durch und übernahmen 1924 unter anderen auch die Südbahn von der Südbahngesellschaft.

Knapp zehn Jahre später spielten die ÖBB eine Rolle bei der Ausrufung des Ständestaates: Nach einem Eisenbahnerstreik wurde im März 1933 im Parlament über dessen Folgen für die Gehälter gestritten, in der Folge kam es zu einer Geschäftsordnungskrise, und diese nutzte.

Lithografie 1837
Franz Wolf hielt die erste Probefahrt auf der Nordbahn 1837 in einer Lithografie fest.

Kanzler Engelbert Dollfuß zur "Selbstausschaltung des Parlaments", wie er es nannte. Auch in der NS-Zeit war die Rolle der österreichischen Bahn - von 1938 bis 1945 Teil der Deutschen Reichsbahn - zweiseitig. Diente sie zunächst vielen Österreichern als Fluchtweg ins Ausland, wurde sie ab 1942 zur Juden-Deportation eingesetzt. Die Infrastruktur der Bahn wurde im Zweiten Weltkrieg zwecks Truppen- und Waffentransporten erst ausgebaut, im letzten Weltkriegsjahr allerdings massiv zerstört. Laut ÖBB wurden 154 Bahnbedienstete wegen ihres Widerstandes gegen das NS-Regime hingerichtet, weitere 135 starben in KZ oder Zuchthäusern, insgesamt waren 1438 inhaftiert.

Das Ende der Dampfloks#

Im Zuge des Wiederaufbaus kam vor allem den neu errichteten Bahnhöfen besondere Symbolkraft zu, zugleich wurden der kriegsbedingt arg dezimierte und veraltete Fuhrpark erneuert - noch im Jahr 1951 gab es 21 Tote bei einem schweren Zugunglück mit einem hölzernen Waggon - und die Elektrifizierung der Hauptstrecken abgeschlossen. Doch erst am 31. Dezember 1976 wurde im Heizhaus Strasshof die letzte Dampflok vor einen regulären Güterzug gespannt.

Und heute? Muss sich die Bahn neuen Herausforderungen stellen. "Die Nachfrage wird aufgrund steigender Ölpreise, des Trends zum Leben in Ballungsräumen und der wachsenden Zahl älterer Menschen weiter stark zunehmen", prophezeit Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Tatsächlich spüren die ÖBB laut Konzernsprecherin Veronika Nowak die steigende Nachfrage bereits. Gerade in den Ballungsräumen ortet der VCÖ aber schon jetzt Engpässe im Schienennetz, "da gab es in der Vergangenheit große Versäumnisse, die nun mit Zeitverzögerung aufgeholt werden". Die ÖBB verfolgen jetzt dafür umso ehrgeizigere Projekte: "Mit dem Fahrplanwechsel am 9. Dezember tut sich einiges", verspricht Nowak. "Richtung Westen steht den Pendlern dann neben der Bestandstrecke die neue Hochleistungsstrecke zwischen Wien und St. Pölten zur Verfügung, damit können wir das Zugangebot verdichten und neue Verbindungen anbieten." Auf der Westachse soll die Fahrzeit um 10 bis 20 Minuten kürzer werden. Und in den kommenden Jahren wird der neue Wiener Hauptbahnhof in Etappen eröffnet.

Bis vor wenigen Jahren sei Österreichs Verkehrspolitik aber noch sehr autoorientiert gewesen und habe die Bahnen sträflich vernachlässigt, meint Peter Haibach von probahn Österreich. "Während die Schweiz schon 1985 den Taktfahrplan ‚Bahn 2000‘ beschlossen und danach alle Streckenausbauten errichtet hat, wurden in Österreich bisher Infrastrukturen wie die Bahntunnels nach Länder-Egoismen nach der Devise errichtet: Wenn gebaut wird, wird schon später etwas darauf fahren." Das zwischen Verkehrsministerium und ÖBB erstellte Zielnetz "2025+" sei ein Schritt in die richtige Richtung, "es berücksichtigt aber nur ÖBB-Strecken, jene der Privaten finden darin nicht Platz, die Regionalbahnen wurden nie in ein Gesamtkonzept einbezogen und als Zulaufstrecken gesehen, sondern immer als etwas Eigenes, das eher Kosten verursacht und das man eher loswerden will". Diesen Vorwurf wollen die ÖBB nicht auf sich sitzen lassen: "Wir haben seit vielen Jahren Regionalbahnen attraktiviert und gezielt gefördert", betont ÖBB-Chef Christian Kern, "es wurden moderne Fahrzeuge beschafft und Informationssysteme mit Monitoren in Zügen speziell für Regionalbahnen entwickelt." Ziel sei ein integrierter Taktfahrplan für optimale Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Linien. Als Vorbild wird hier übrigens die Schweiz genannt.

Um "das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs in den Regionen", wie Gratzer die Nebenbahnen nennt, zu stärken, seien neben den ÖBB auch Bund und Länder gefordert. Schließlich sei die Energiebilanz der Bahn in Österreich um ein Vielfaches besser als jene des Autos: "Sie verursacht im Schnitt 15 Gramm CO2 pro Personenkilometer, ein Bus 36 Gramm, ein Pkw rund 140 Gramm." Deshalb hofft Haibach, dass ÖBB-Chef Kern die Politik davon überzeugen kann, auf das System Eisenbahn zu setzen und ausreichend Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Kern selbst ernten übrigens viel Lob: "Er macht eine gute Figur und hat es verstanden, die vielen Tochtergesellschaften wieder auf die drei Kernbereiche Infrastruktur, Personen- und Güterverkehr zurückzuführen und dabei auch überzähliges, teils politisch gewolltes Personal abzubauen oder zumindest von wichtigen Schaltstellen zu entfernen."

Man fährt wieder Bahn#

Und was sagen die Kunden? Die sind überwiegend zufrieden mit der Entwicklung der Bahn, wie der aktuelle VCÖ-Bahntest zeigt. Und der ist mit jährlich mehr als 10.000 befragten Fahrgästen in den Zügen von acht heimischen Bahnunternehmen durchaus repräsentativ. "Verbesserungen haben die Bahnen vor allem bei der Pünktlichkeit, beim Komfort des Wagenmaterials und bei der Freundlichkeit des Zugpersonals erreicht", zitiert Gratzer aus den Ergebnissen der heurigen Umfrage (die erste wurde 2001 durchgeführt). Er führt auch an, dass zahlreiche Bahnhöfe, die in den ersten Jahren schlecht beurteilt wurden, saniert oder neu gestaltet worden sind, "auch das haben die Fahrgäste honoriert". Unzufrieden seien viele Bahnfahrer jedoch noch immer mit den Angeboten in den Regionen. Dies deckt sich also mit der Kritik der organisierten Interessenvertreter.

Gratzer ist überzeugt, dass die Bahn durch attraktivere Verbindungen und Preissenkungen noch viel mehr Potenzial bei den Pendlern, aber auch bei den Wenigfahrern ausschöpfen könnte. "Laut jüngstem Bahntest legen 42 Prozent der Fahrgäste heute Strecken mit der Bahn zurück, die sie früher mit dem Auto gefahren sind, für 60 Prozent waren die gestiegenen Spritpreise ein Motiv für den Umstieg, für 43 Prozent der Ausbau der Verbindungen und für 42 Prozent vergünstigte Sonderangebote. Für Vielfahrer ist die Eisenbahn durch Jahres- und Monatskarten schon jetzt günstiger als das Auto."

Was aber auch zählt, ist die Ausstattung von Waggons und Bahnhöfen, nicht nur hinsichtlich Barrierefreiheit, sondern auch was echten Komfort betrifft - Stichwort WLAN im Zug. Und Kundenservice wie die Online-Auskunftsdienste Quando und Scotty. Dies bestätigt Bahnchef Kern darin, die modernen Railjet-Garnituren zu forcieren. Es scheint also, als sollte sich die Bahn wieder auf ihre Anfänge besinnen: als "Luxus-Liner" - diesmal jedoch für die breite Masse.

Wiener Zeitung, 23. November 2012


Erster deutschsprachiger Lokführer nach den Engländern war Carl Grundmann, der 1848 auch Kaiser Franz Josef das Leben rettete, indem er ihn in einer nächtlichen eisenbahnfahrt samt Hofzug sicher nach Olmütz brachte.

Der Ausbau des Eisenbahnnetzes folgte im 19. Jahrhundert im wesenlichen strategischen Überlegungen,(Eisenbahnbau Negrellis für die Belagerung Venedigs 1849 in der Lombardei) wie etwa auch die Wiener Stadtbahn zeigt....

Eine Würdigung Grundmanns bzw. wenigstens eine zur Kenntnisnahme des ersten österreichischen Lokführers, der noch dazu die Monarchie und die Habsburger-Dynastie rettete, durch das Staatsarchiv und die Eisenbahnmuseen wäre ein wissenschaftliches Desiderat...

-- Glaubauf Karl, Donnerstag, 13. Dezember 2012, 16:21


Vielleicht könnte die Wiener Zeitung anlässlich 175 Jahre Bahn eine Artikel über Grundmann bringen, im Staatsarchiv liegt der gesamte Personalakt Grundmann und das Bildarchiv hat sicher viele Bilder...Wäre doch sicher interessant, jene zu würdigen, die die Eisenbahn groß machten, denn die Lokführerei war damals ein mörderischer Job, insbesondere auch eine damalige Lok als Heizer den Semmering hinauf zu heitzen, daher nur 25 jahre Arbeitszeit, viele sind schon viel früher gestorben, aus dieser Zeit stammen die Pensionsprivilegien der Bundesbahner..

-- Glaubauf Karl, Donnerstag, 13. Dezember 2012, 17:03


Eine der wesentlichsten Aufgaben der ÖBB ist es, Menschen an ihren Arbeitsplatz zu bringen, inwiefern der Riesenumweg der neuen Strecke im Tullnerfeld sich nicht nur für die Grundbesitzer rechnet, scheint eine völlig offene Frage zu sein....War die Trassierung wieder einmal ein Schüsselsches Politikum ?

-- Glaubauf Karl, Donnerstag, 13. Dezember 2012, 17:06


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