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2. Bekräftigung eines humanistischen Ansatzes 37
gewisse Feministinnen und Ökologen Kritik am anthropozentrischen wie auch am
theozentrischen Humanismus geäussert – und in jüngster Zeit auch Personen, die sich
als Transhumanisten oder gar Posthumanisten sehen, mit ihrem Aufruf zu biologischer
Selektion und Optimierung.
Jede dieser Interpretationen wirft fundamentale moralische und ethische Fragen auf,
die eindeutig in den Bereich der Bildung fallen.
" Ein humanistischer Bildungsansatz
Eine humanistische Vision bekräftigt eine Reihe universeller ethischer Prinzipien, die als
Grundlage für einen integrierten Ansatz bezüglich Zweck und Organisation von Bil-
dung für alle dienen sollten. Ein solcher Ansatz hat Konsequenzen für die Gestaltung
der Lernprozesse, die den Erwerb von relevantem Wissen und die Entwicklung von
Kompetenzen im Dienste der Menschheit allgemein fördern. Ein humanistischer An-
satz führt die Diskussion über Bildung über ihre utilitäre Rolle in der wirtschaftlichen
Entwicklung hinaus. Er legt besonderes Gewicht auf Inklusivität und auf eine Bildung,
die niemanden ausschliesst oder marginalisiert. Er dient als Leitplanke für den Umgang
mit der Transformation der globalen Lernlandschaft, in der die Rolle der Lehrkräfte und
anderer Pädagogen weiterhin zentral für die Forderung von Lernprozessen zugunsten
einer nachhaltigen Entwicklung aller ist.
Gegen den vorherrschenden Entwicklungsdiskurs
Wenn wir uns den grösseren Fragen nach dem Sinn und Zweck von Bildung sowie
der Art von Gesellschaft, die wir anstreben, zuwenden, müssen wir kulturelle, so-
ziale, wirtschaftliche, ethische und bürgerschaftliche Dimensionen einbeziehen. Die
wirtschaftlichen Funktionen von Bildung sind zweifellos wichtig, aber wir müssen über
die streng utilitaristische Vorstellung und den Humankapitalansatz hinausgehen, von
dem der internationale Entwicklungsdiskurs zu einem grossen Teil geprägt ist.51 Bei
der Bildung geht es nicht nur um den Erwerb von Kompetenzen. Es geht auch um
Werte wie den Respekt vor dem Leben und der menschlichen Würde, die für soziale
Harmonie in einer vielgestaltigen Welt nötig sind. Mit dem Verständnis dafür, dass
ethische Fragen für den Entwicklungsprozess grundlegend sind, lässt sich dem
derzeit vorherrschenden Diskurs entgegentreten. Ein solches Verständnis verstärkt
die Bedeutung der Bildung für die Entwicklung der Fähigkeiten, die nötig sind, da
mit
Menschen ein sinnvolles Leben in Würde – ganz im Sinne von Amartya Sens alter-
nativer Auffassung von Entwicklung – führen können.52
51 Die zwei Seiten, die im Bericht der Hochrangigen Gruppe von 2013 über Entwicklung nach 2015 der
Bildung gewidmet sind, kommen beispielsweise in der Sprache des Humankapitalansatzes daher. Hier
ist von Investitionserträgen (Returns on Investment) in der Bildung und vom Beitrag der Bildung zur
Herausbildung von «produktiven Bürgern» die Rede.
52 Sen, A. 1999. Development as Freedom. New York, Random House; Sen, A. 1999. Commodities and
Capabilities. Neu-Delhi, Oxford University Press.
Bildung überdenken
Ein globales Gemeingut?
- Titel
- Bildung überdenken
- Untertitel
- Ein globales Gemeingut?
- Herausgeber
- Schweizerische UNESCO-Kommission
- Deutsche UNESCO-Kommission
- Österreichische UNESCO-Kommission
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-033-05613-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 96
- Kategorie
- Geisteswissenschaften