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Bildung als Gemeingut?
" Bildung und Wissen als globale Gemeingüter
Die Grenzen der Theorie vom öffentlichen Gut
Die Theorie vom öffentlichen Gut besitzt eine lange Tradition und hat ihr Fundament in
der Ökonomie des Marktes.138 In den 1950er-Jahren wurden öffentliche Güter definiert
als Güter, «an denen sich alle gemeinsam erfreuen können in dem Sinne, dass der
Konsum des betreffenden Guts durch jeden Einzelnen den Konsum des betreffenden
Guts durch einen anderen Einzelnen nicht beeinträchtigt».139 Die Übertragung einer im
Wesentlichen ökonomischen Auffassung auf den Bildungsbereich war immer schon
etwas problematisch. Öffentliche Güter gelten als direkter mit der öffentlichen und
staatlichen Politik verbunden. Der Begriff öffentlich führt oft zu einem allgemeinen
Missverständnis, wonach «öffentliche Güter» Güter sind, die von der Öffentlichkeit
bereitgestellt werden.140 Dagegen werden Gemeingüter als solche Güter definiert, die
unabhängig von ihrem öffentlichen oder privaten Ursprung durch ein verbindliches Ziel
charakterisiert sind und zur Realisierung der Grundrechte aller Menschen notwendig
sind.141
Aus dieser Perspektive kann sich das Konzept vom
«Gemeingut» als konstruktive Alternative erweisen.
Das Gemeingut lässt sich definieren als «bestehend
aus Gütern, die den Menschen von Natur aus ge-
meinsam sind und die sie einander weitergeben, wie
Werte, Bürgertugenden und Gerechtigkeitssinn.»142 Es
ist «ein solidarischer Zu sammen schluss von Personen,
der mehr ist als das Aggregat der Güter der einzelnen
Personen». Es ist das Gut, eine Gemeinschaft zu
sein – «das Gut, das durch die ge
genseitigen Be
zie-
hungen zustande kommt, in denen und durch die die
Menschen ihr Wohlergehen erreichen».143 Das Ge-
mein gut ist somit den Beziehungen inhärent, wel-
che zwischen den Individuen einer Gesellschaft –
sozusagen vereint in einem kollektiven Unterfangen
– bestehen. Güter dieser Art sind deshalb von Natur
138 Menashy, F. 2009. Education as a global public good: the applicability and implications of a framework.
Globalisation, Societies and Education, Vol. 7, Nr. 3, S. 307–320.
139 Samuelson, P.A. 1954. The Pure Theory of Public Expenditure, The Review of Economics and Statistics,
Vol. 36, Nr. 4, S. 387–389.
140 Adaptiert aus Zhang, E. 2010. Community, the Common Good, and Public Healthcare – Confucianism
and its relevance to contemporary China. Department of Religion and Philosophy, Hong Kong Baptist
University.
141 Adaptiert aus Marella, M.R. 2012. Oltre il pubblico e il privato: per un diritto dei beni comuni. Verona,
Ombre Corte.
142 Deneulin, S. und Townsend, N. 2007. Public Goods, Global Public Goods and the Common Good.
International Journal of Social Economics, Vol. 34 (1–2), S. 19–36.
143 Cahill zitiert in: Deneulin und Townsend, ibd. Die Vorstellung vom
Gemeingut reicht über
das instrumentelle
Konzept des
öffentlichen Guts hinaus,
bei dem das menschliche
Wohlergehen durch
in di
vidualistische,
sozioökonomische
Theorien gefasst wird.
Bildung überdenken
Ein globales Gemeingut?
- Titel
- Bildung überdenken
- Untertitel
- Ein globales Gemeingut?
- Herausgeber
- Schweizerische UNESCO-Kommission
- Deutsche UNESCO-Kommission
- Österreichische UNESCO-Kommission
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-033-05613-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 96
- Kategorie
- Geisteswissenschaften