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Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990
19 Dollar pro Kopf! Die Güter bekam Österreich zur Gänze geschenkt, während
sie Westdeutschland zurückzuzahlen hatte. Im ersten ERP-Jahr 1948/49 emp-
fing die Alpenrepublik mit 14 % des nationalen Einkommens den höchsten An-
teil des Marshall-Plans.37 Nicht zuletzt deshalb blieb Österreich im Gegensatz zu
Deutschland eine handels-, wirtschafts- und währungspolitische Einheit,38 auch
wenn die KPÖ durchaus politische Teilungsabsichten hegte.39
Nach 1945 wahrte Österreich gegenüber Deutschland bewußt Distanz. Doch
kannte diese Haltung auch Grenzen. Dies zeigte sich nach Gründung der Bundes-
republik Deutschland. Ihr strikt prowestlicher Kurs wurde von Österreich als
nicht unvorteilhaft für sich selbst angesehen. 1949 erfolgte die „doppelte Staats-
gründung“ (Christoph Kleßmann) in Deutschland.40 Besondere unmittelbare Re-
aktionen auf die Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 aus Österreich liegen
nicht vor, zumal sich diese im Schatten der am darauffolgenden Wochenende
stattfindenden Nationalratswahlen in Österreich ereignete. Offizielle Beziehun-
gen zu beiden deutschen Staaten waren weiterhin unmöglich und wurden vom
Ballhausplatz zur DDR wegen des im Grundgesetz der Bundesrepublik verkünde-
ten Alleinvertretungsanspruchs auch nicht angestrebt. Obwohl man in Wien die
deutsche „Weststaatgründung“ wohlwollend kommentiert hatte, sollte das Ver-
hältnis zwischen Österreich und der Bundesrepublik Mitte der 1950er-Jahre er-
heblichen Spannungen ausgesetzt sein.41 In diesem Zusammenhang ist angesichts
37 Siehe zuletzt Günter Bischof / Hans Petschar, Der Marshallplan. Die Rettung Europas und der
Wiederaufbau Österreichs, Wien 2017.
38 Michael Gehler, Österreich, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 1945/49–1955. Zur
Geschichte der gegenseitigen Wahrnehmungen zwischen Abhängigkeit und gemeinsamen
Interessen, in: Historische Mitteilungen der Ranke-Gesellschaft 8 (1995) 2, S. 221–264.
39 Zu den Teilungsabsichten der KPÖ siehe: Wolfgang Mueller, Die Teilung Österreichs als poli-
tische Option für KPÖ und UdSSR 1948, in: Zeitgeschichte 32 (2005) 1, S. 47–54.
40 Christoph Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945–1955, 5. Aufl.,
Göttingen 1991.
41 Zur Haltung Österreichs in der deutschen Frage bis 1955 unter besonderer Berücksichti-
gung der Beziehungen zur Bundesrepublik siehe: Michael Gehler, „Kein Anschluß, aber
auch keine chinesische Mauer“. Österreichs außenpolitische Emanzipation und die deutsche
Frage 1945–1955, in: Alfred Ableitinger / Siegfried Beer / Eduard G. Staudinger (Hg.), Öster-
reich unter alliierter Besatzung 1945–1955, Wien / Köln / Graz 1998, S. 205–268; Michael Geh-
ler, Österreich, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 1945/49–1955. Zur Geschichte
der gegenseitigen Wahrnehmungen zwischen Abhängigkeit und gemeinsamen Interessen, in:
idem / Rainer F.
Schmidt / Harm-Hinrich Brandt / Rolf Steininger, Österreich und Deutschland
in ihrer gegenseitigen Wahrnehmung. Historische Analysen und Vergleiche aus dem 19. und
20. Jahrhundert, Stuttgart 1996, S. 535–580. Für österreichische Dokumente zur Deutsch-
landfrage siehe: Michael Gehler / Rudolf Agstner (Hg.), Einheit und Teilung. Österreich und
die Deutschlandfrage 1945–1960. Festgabe für Rolf Steininger zum 70. Geburtstag, Inns-
bruck / Wien / Bozen 2013. Zu den österreichisch-westdeutschen Nachkriegsbeziehungen bis in
die 1960er-Jahre siehe: Matthias Pape, Ungleiche Brüder. Österreich und Deutschland 1945–
1965, Köln / Weimar / Wien 2000; Rolf Pfeiffer, Eine schwierige und konfliktreiche Nachbar-
schaft – Österreich und das Deutschland Adenauers 1953–1963, Münster / Hamburg / London
2003; Michael Ebert, Bonn – Wien. Die deutsch-österreichischen Beziehungen von 1945 bis
zurück zum
Buch Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit"
Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Titel
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Untertitel
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Herausgeber
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 792
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99