Seite - 114 - in Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
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Anfang 1985: Grundbericht Österreich und die DDR
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Dok. 1
Westberlin gebracht, scheiterte aber am direkten Veto der Sowjetunion, die
(und nicht nur sie allein) gewisse Befürchtungen hinsichtlich der Auswirkungen
verstärkter Freizügigkeit zwischen den beiden deutschen Staaten bzw. der DDR
und Westberlin hegt.
Gewiß sind aus alledem keine grundsätzlichen, dauerhaften Widersprüche
zwischen der DDR und der Sowjetunion abzuleiten. Die Bandbreite der DDR-Poli-
tik in gewissen Fragen ist aber, wie die jüngste Vergangenheit gezeigt hat, limitiert.
1.4 Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland
Das eingangs zitierte Hauptaxiom der DDR-Außenpolitik Friedenssicherung ist
sehr stark mit dem Verhältnis zur BRD verbunden.
Ausgehend vom Vier-Mächte-Abkommen vom 3. September 197115 wurde am
21. September 1972 der Vertrag über die Grundlage der Beziehungen zwischen
der Bundesrepublik und der DDR zwischen den beiden deutschen Staaten ge-
schlossen, in dessen Artikel 1 sich die beiden Teile zur Entwicklung normaler
gutnachbarschaftlicher Beziehungen zueinander auf der Grundlage der Gleich-
berechtigung verpflichten.16
Nach Abschluß dieses sogenannten Grundvertrages wie überhaupt nach Ab-
schluß des Komplexes der Ostverträge17 zu Beginn der siebziger Jahre entwickel-
15 Im Viermächte-Abkommen über Berlin wurde festgehalten, dass West-Berlin kein Bestandteil
der Bundesrepublik sei, gleichzeitig aber seitens der Sowjetunion die enge Bindung zwischen
Bundesrepublik und West-Berlin anerkannt und zugesichert, diese Verbindungen künftig
nicht zu behindern. Die Aushandlung der Modalitäten wurde den beiden deutschen Staaten
überlassen. Das Viermächte-Abkommen wurde am 3. September 1971 von den vier Sieger-
mächten (Frankreich, Großbritannien, UdSSR, USA) unterzeichnet und trat am 3. Juni 1972
in Kraft, siehe Viermächte-Abkommen (mit den Anlagen I, II, III und V) vom 3. September
1971 (= Dokument 24), in: Zehn Jahre Deutschlandpolitik, S. 158–162. Für eine vollständige
Dokumentation siehe Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.), Die Berlin Re-
gelung. Das Viermächte-Abkommen über Berlin und die ergänzenden Vereinbarungen, Bonn
1971.
16 Artikel 1 lautet: „Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Repu-
blik entwickeln normale gutnachbarliche Beziehungen zueinander auf der Grundlage der
Gleichberechtigung.“ Der am 8. November 1972 paraphierte „Vertrag über die Grundlagen
der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokra-
tischen Republik“ (1972), auch bekannt unter der Bezeichnung „Grundlagenvertrag“, wurde
am 21. Dezember 1972 unterzeichnet und regelte das künftige Verhältnis der beiden deutschen
Staaten unter Aufrechterhaltung der beiderseitigen Standpunkte in Grundsatzfragen. Siehe
Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Deutschen Demokratischen Republik, 21. Dezember 1972 (= Dokument 53), in: Zehn
Jahre Deutschlandpolitik, S. 205–208 (Erstveröffentlicht in: BGBl. 1973, II, S. 423–427), für
die Briefwechsel, Erläuterungen und Erklärungen im Zusammenhang mit dem Vertrag siehe
S. 208–213.
17 Dazu zählen insbesondere der „Moskauer Vertrag“ mit dem „Brief zur deutschen Einheit“
(1970), der „Warschauer Vertrag“ (1970), der Transitvertrag (1971), der Verkehrsvertrag
(1972), der Grundlagenvertrag (1972, siehe Anm. 16) und schließlich noch der „Prager Ver-
trag“ (1973). Den Anfang machte der Moskauer Vertrag vom 12. August 1970 in dem sich die
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Titel
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Untertitel
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Herausgeber
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 792
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99