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20./21.8.1987: Vorbereitungsunterlagen Treffen Vranitzky – Mittag
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Dok. 7
EG-RGW; Frage der Erstellung gegenseitiger Beziehungen III.2 7/87
Information
Nachdem bereits früher Gespräche zwischen den EG und dem RGW über ein Ab-
kommen stattgefunden haben und 1980 ergebnislos abgebrochen worden waren,
kam es im Juni 1985 zu einem neuerlichen Vorstoß von östlicher Seite: Der Se-
kretär des RGW, Wjatscheslaw Sytschow,17 schlug in einem Brief an EG-Präsident
[sic!] Delors18 die Aufnahme „offizieller Beziehungen“ zwischen beiden Organisa-
tionen in Form einer „Gemeinsamen Erklärung“ vor. Ein diesbezüglicher Entwurf
wurde im September 1985 übermittelt. Die Gemeinschaft hat in der Zwischenzeit
ihre Politik gegenüber Staatshandelsländern in drei Leitlinien zusammengefasst:
1. Normalisierung
Die Gemeinschaft ist bereit, normale Beziehungen und den Dialog bezüglich aller
Probleme aufzunehmen, die beide Wirtschaftsblöcke betreffen sowie geeignete
Verträge abzuschließen. Sie besteht grundsätzlich auf die Aufnahme diploma-
tischer Beziehungen zwischen ihr und den einzelnen RGW-Mitgliedstaaten (die
Errichtung von Missionen) und fordert die Anerkennung als politische Einheit im
Rahmen von Verhandlungen in multilateralen Wirtschaftsorganisationen.
2. Parallelismus
Die Gemeinschaft strebt einerseits die Entwicklung ihrer Beziehungen zum RGW
(Rahmenabkommen), andererseits, parallel dazu, den Ausbau ihrer schon beste-
henden Beziehungen zu jedem individuellen RGW-Mitgliedsland (Wirtschafts-
und / oder Handelsabkommen) an. Bisher wurde diese Politik der Gemeinschaft
von den RGW-Mitgliedsstaaten generell anerkannt.
3. Differenzierung
Daraus ergibt sich, dass auf die jeweiligen spezifischen Situationen und Charak-
teristika der einzelnen RGW-Mitgliedsstaaten Rücksicht genommen werden muss
und ein „approche bloc-à-bloc“, welcher der Sowjetunion zu viel Gewicht einräu-
men würde, verhindert wird.
Nach verschiedenen Begegnungen im Rahmen der Wiener KSZE Folgekonfe-
renz und Sondierungsgesprächen, kam es in Genf, Sept. 86, zur Aufnahme von
Gesprächen auf Expertenebenen. Diese „Bewegung“ in den Beziehungen zwi-
schen beiden Wirtschaftsorganisationen wird im wesentlichen auf zwei Faktoren
zurückgeführt: erstens, auf das Abgehen der EG-Kommission von der bisherigen
„Doktrin“, wonach dem Abschluss von Handelsvereinbarungen mit RGW-Mit-
gliedstaaten die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen vorauszugehen habe
17 Wjatscheslaw W.
Sytschow, Generalsekretär des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW,
1983–1991), siehe Personenregister mit Funktionsangaben.
18 Jacques Delors, Präsident der EG- bzw. EU-Kommission (1985–1995), siehe Personenregister
mit Funktionsangaben.
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Titel
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Untertitel
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Herausgeber
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 792
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99