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16.6.1989: Information Gesandter Plattner
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Dok. 41
ihrem Bündnis hat“, hat somit nach den USA (Besuch Präsident Bushs in Bonn)5
auch die SU die politische Bedeutung der BRD aufgewertet. Ob die SU diese Auf-
wertung für ihre eigenen Zwecke (z. B. Technologietransfer) nützen kann bleibt
abzuwarten.
Von besonderer Bedeutung für die SU ist die Feststellung, dass die Ergebnisse
der modernen Wirtschaft, Wissenschaft und Technik allen Menschen zugute
kommen und die Handelshemmnisse jeglicher Art abgebaut werden sollen. Da-
mit wird dem dringenden Wunsch Moskaus, insbesondere nach westlichen Tech-
nologien, entsprochen.
„Neutrale“ Aussagen der Erklärung: Die Verwendung der Gorbatschowschen
Terminologie vom „gemeinsamen europäischen Haus“ als Synonym für eine neu-
zuschaffende europäische Friedensordnung ist ein Zugeständnis an den sowje-
tischen Gast, das aber durch den Zusatz, dass darin auch die USA und Kanada
ihren Platz haben, in eine westliche Perspektive gebracht wird. (Anerkennung
der Bedeutung der USA für Europa!) Durch den Hinweis auf den begonnenen
politischen Dialog zwischen den 12 EG-Mitgliedstaaten und der SU6 wird auch
die politische Bedeutung der Gemeinschaft (EPZ)7 anerkannt. Bei der Feststel-
lung zu Berlin (West) handelt es sich um die bekannte Formel, die keine neuen
Aspekte beinhaltet. Ein Schifffahrtsabkommen konnte wegen der ungelösten
Problematik der Einbeziehung Westberlins nicht abgeschlossen werden, in den
Aussagen über die Abrüstung rückt die BRD von der NATO-Strategie in kei-
ner Weise ab (keine Erwähnung der Kurzstreckenraketen). Interessant erscheint
der von der SU gewünschte Hinweis auf die Notwendigkeit der Einhaltung des
ABM-Vertrages,8 der die weiter bestehende Sorge der SU hinsichtlich SDI9 zum
Ausdruck bringt.
Bei der Pressekonferenz hat Gorbatschow, so wie beim Kohl-Besuch in Mos-
kau,10 Spekulationen über eine substantielle Veränderung im deutsch-deutschen
Verhältnis eine klare Absage erteilt. (Die Berliner Mauer würde dann fallen, wenn
die Notwendigkeit für deren Errichtung wegfiele.)
5 US-Präsident George H. W.
Bush kam im Anschluss an die NATO-Gipfelkonferenz in Brüssel
am 30. und 31. Mai 1989 zu einem Besuch in die Bundesrepublik. Siehe Gespräch des Bundes-
kanzlers Kohl mit Präsident Bush in erweitertem Kreise, Bonn, 30. Mai 1989 (= Dokument
Nr. 1), in: Deutsche Einheit, S. 271–276.
6 Zwischen den Europäischen Gemeinschaften (EG) und dem Rat für gegenseitige Wirtschafts-
hilfe (RGW) wurde am 25. Juni 1988 eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, die die Auf-
nahme offizieller Beziehungen bestätigte. Daraufhin intensivierten sich auch die Kontakte
zwischen den EG und der Sowjetunion. Siehe dazu bereits Dok. 23, Anm.17.
7 Zur Europäischen Politischen Zusammenarbeit siehe Dok. 11, Anm. 15.
8 Zum ABM-Vertrag siehe Dok. 6, Anm. 10.
9 Zur SDI siehe Dok. 3, Anm. 5.
10 Bundeskanzler Helmut Kohl besuchte vom 24. bis 27. Oktober 1988 offiziell die UdSSR. Für
die österreichische Einschätzung des Besuchs siehe Dok 29, Anm. 2.
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Titel
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Untertitel
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Herausgeber
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 792
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99