Seite - 269 - in Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
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26.6.1989: Gespräch Mock – Horn Dok. 45
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Der HBM sagte die politische Unterstützung für die ungarischen Bestrebungen
auf Annäherung an die EFTA zu, berichtete kurz über unsere Aktivitäten hin-
sichtlich Jugoslawiens und warf die Frage auf, ob nicht ein größerer Fonds für alle
reformwilligen osteuropäischen Staaten geschaffen werden könnte.
1.2 Österreich – EG: Der HBM informierte AM Horn über die weitere Vorgangs-
weise nach der Einigung der Koalitionspartner.5
AM Horn unterstrich, dass Ungarn dem angestrebten EG-Beitritt Österreichs
grundsätzlich positiv gegenüberstehe. Die Sorge gelte der Erhaltung der besonde-
ren Qualität der bilateralen Beziehungen.
Der HBM betonte, dass die österreichische Europapolitik auf zwei Säulen
ruhe: der Teilnahme an der westeuropäischen Integration (EG / EFTA / ER) und
der Nachbarschaftspolitik (im weiteren Sinne). Im Hinblick auf den Stand und die
absehbare Entwicklung der EG sehe er
– auch wenn gewisse Probleme nicht ausge-
schlossen werden könnten – keinen Grund für ungarische Besorgnisse.
2. KSZE:
AM Horn meinte, dass noch niemals zuvor so positive Aussichten für eine Eini-
gung in der Abrüstungsfrage bestanden hätten, „der Teufel sitze aber im Detail“.
Als Beispiel nannte er die Probleme mit den Luftstreitkräften („nicht alles sei in
einem Arbeitsgang lösbar“). Erforderlich sei jedenfalls ein neuer politischer Im-
petus, der durch eine gemeinsame Erklärung auf hoher Ebene, am besten schon
im Herbst d. J. erfolgen könnte.
Der HBM stimmte dem zu und erinnerte an den Vorschlag Außenminister
Schewardnadses, eine Tagung auf Ebene der Staats- und Regierungschefs abzu-
halten.6 Er erläuterte die pragmatische Rolle der N+N-Staaten, die derzeit eher
Zurückhaltung übten, aber trotz der Schwierigkeiten der internen Konsensfin-
dung für Krisensituationen stets als Vermittler zur Verfügung stünden. AM Horn
wollte die mangelnde Übereinstimmung über ein Abschlussdokument bei der Pa-
riser Tagung7 nicht dramatisieren. Man solle das Konsensprinzip nicht aufgeben,
obwohl es auch Nachteile habe, indem es ein bis zwei Ländern die Möglichkeit
eröffne, Entscheidungen zu verhindern (Hinweis auf Rumänien). Er wies auf die
5 Es ging hier um die Abstimmung in der Großen Koalition aus SPÖ und ÖVP über die Formu-
lierung des EG-Beitrittsantrags und vor allem um die Platzierung und Betonung des Neutra-
litätsvorbehalts. Der „Brief nach Brüssel“ vom 14. Juli wurde dann am 17. Juli 1989 in Brüssel
von Außenminister Alois Mock dem Ratsvorsitzenden Roland Dumas überreicht. Siehe dazu
auch Dok. 7, dort den Abschnitt „Österreichs Teilnahme am Prozess der Europäischen Inte-
gration“ und Anm. 22.
6 Es ist unklar, wann Schewardnadse diesen Vorschlag machte. Er wird üblicherweise Gorba-
tschow zugeschrieben, der ab Herbst 1989 regelmäßig einen KSZE-Gipfel anregte. Vermutlich
hatte Schewardnadse dies bereits im Rahmen eines der KSZE-Treffen in Wien in der ersten
Jahreshälfte 1989 getan.
7 Das 1. Treffen der Konferenz über die menschliche Dimension der KSZE fand vom 30. Mai bis
23. Juni 1989 in Paris statt und endete ohne Schlussdokument.
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Buch Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit"
Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Titel
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Untertitel
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Herausgeber
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 792
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99