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26.6.1989: Gespräch Mock – Horn Dok. 45
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schein: die interne Lage einzelner WP-Staaten (z. B.
Rumänien) widerspreche der
allgemeinen Entspannung; die Reformversuche auf nationaler Ebene führten zu
Spannungen mit jenen Staaten, die den Pluralismus nicht akzeptieren. Das Pro-
blem dabei sei, dass Konservative die Legitimität der neuen Strukturen in Frage
stellten (z. B. ČSSR gegenüber Ungarn).
4.2 Ungarn-Sowjetunion: Die Entwicklung in der SU sei für Ungarn außeror-
dentlich wichtig. SU unterstütze Ungarn maximal. Die Situation in der SU sei –
v. a. wirtschaftlich – viel schwieriger als in Ungarn. Die Beziehungen seien der-
zeit durch die Vergangenheitsbewältigung (nicht nur 1956, sondern auch 1968)
geprägt, was manche andere Verbündete irritiere. Dieser Prozess könne nicht ad
infinitum fortgesetzt werden und sollte noch 1989 abgeschlossen sein. Die Bezie-
hungen müssten „modernisiert“ werden.
4.3 Ungarische Reformpolitik: Ungarn forciere den Änderungsprozess bewusst,
um die günstigen inneren und äußeren Rahmenbedingungen auszunützen. Bei
allem Optimismus sei ein Rückschritt möglich. Ungarn müsse daher so viel wie
möglich absichern, in der Innenpolitik (z. B.
Parteiengesetz zur Überwindung des
Einparteiensystems)16 ebenso wie in seinen internationalen Beziehungen.
4.4 Österreichische Haltung: Der HBM erläuterte die Grundsätze der österreichi-
schen Haltung zu Reformbestrebungen:
– es handle sich um souveräne Entscheidungen der jeweiligen Staaten;
– Österreich unterstützt Reformen (Polen, Ungarn, SU) im Rahmen seiner Mög-
lichkeiten;
– diese Unterstützung dürfe nicht irritieren (wobei er für allfällige Hinweise im-
mer dankbar wäre);
– die Öffnung Osteuropas entwerte keineswegs die Rolle Österreichs, sondern
weite seine Möglichkeiten aus;
– diese Entwicklung verringere die Systemunterschiede und stärke – weil span-
nungsmindernd
– Frieden und Stabilität in Europa;
– die österreichische Neutralität ermöglicht einen qualifizierten Beitrag dazu.
16 Nach der prinzipiellen Akzeptanz eines Mehrparteiensystems durch die reformorientierte
ungarische Führung im Februar 1989 und der darauffolgenden geduldeten Entstehung bzw.
Wiederentstehung oppositioneller politischer Parteien wurde im Juni ein Runder Tisch gebil-
det und ein Dialog zwischen Opposition und Regierung in Angriff genommen der bereits am
18. September abgeschlossen war. Die formal entscheidenden Schritte erfolgten auf der Par-
lamentssitzung vom 17. bis 20. Oktober 1989 auf der die sogenannten „Eckgesetze“ angenom-
men wurden: Gesetz über die Verfassungsänderungen (Gesetz Nr. XXXI des Jahres 1989), Ge-
setz über das Verfassungsgericht (Gesetz Nr. XXXII des Jahres 1989), Parteiengesetz (Gesetz
Nr. XXXIII des Jahres 1989), Gesetz über den Staatspräsidenten (Gesetz Nr. XXXV des Jahres
1989) und Gesetz über das Parlamentswahlrecht (Gesetz Nr. XXXIV des Jahres 1989). Vgl. dazu
Andreas Schmidt-Schweizer, Politische Geschichte Ungarns von 1985 bis 2002. Von der libera-
lisierten Einparteienherrschaft zur Demokratie in der Konsolidierungsphase, München 2007.
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Buch Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit"
Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Titel
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Untertitel
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Herausgeber
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 792
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99