Seite - 716 - in Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
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18.1.1993: Abschlussbericht Botschafter Grubmayr
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Dok. 180
viele Bürger hier, die nicht verstehen, wieso man solange Zeit braucht, um einen
vernünftigen Kompromiss zustande zu bringen, der die als Asylbewerbung ka-
schierte Einwanderungsflut eindämmen soll.
Bei den in diesem Zusammenhang ausgebrochenen Aggressionen gegen Aus-
länder bahnt sich jetzt anscheinend eine Wende an: Hier haben die Deutschen,
die bei allen ihren Aktionen gründlich sind, nach „gründlichen“ Ausschreitun-
gen eine aktive und offenbar auch effiziente „Trauerarbeit“ durchgeführt. Lichter-
ketten und schärferes Vorgehen der Sicherheitsorgane haben eine Atempause ge-
bracht. Jetzt müsste allerdings bald die Neuregelung des Asylverfahrens wirksam
werden, um nicht neue Ausschreitungen zu provozieren. Ich werde bei meinen
Abschiedsbesuchen immer wieder über unsere Erfahrungen mit dem Asylge-
setz 19924 gefragt, und oft höre ich Neid bei meinen Gesprächspartnern durch,
dass die Österreicher das Problem schneller und wirksamer gelöst haben als sie
selbst.
Ein Ausdruck der neuen internationalen Stellung ist auch die Forderung der
Staatenwelt, Deutschland solle sich nicht nur mit Geld, sondern mit Taten in den
internationalen Konfliktherden engagieren. Generalsekretär Boutros-Ghali5 war
hier bei seinem kürzlichen Besuch in Bonn6 sehr klar. Die Koalition hat sich jetzt
päischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch
Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1
können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten
Rechtsbehelf vollzogen werden. (3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates be-
darf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwen-
dung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder
politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung
stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird,
solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser
Vermutung politisch verfolgt wird. (4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen
wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind
oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann einge-
schränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch
Gesetz zu bestimmen. (5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitglied-
staaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht ent-
gegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung
der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,
deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen
für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asyl-
entscheidungen treffen.“ Siehe: Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes Artikel 16 und 18)
vom 28. Juni 1993, BGBl. 1993/Teil I, S. 1002.
4 Für das österreichische Asylgesetz siehe: BGBl. Nr. 8/1992, Bundesgesetz über die Gewährung
von Asyl (Asylgesetz 1991) vom 7. Jänner 1992.
5 Boutros Boutros-Ghali, Generalsekretär der Vereinten Nationen (1992–1996), siehe Personen-
register mit Funktionsangaben.
6 Boutros-Ghali stattete Deutschland seinen ersten Besuch in seiner Funktion als Generalsekre-
tär der Vereinten Nationen vom 10. bis 12. Jänner 1993 ab.
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Titel
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Untertitel
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Herausgeber
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 792
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99