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Studium im Ausland“ – Italienaufenthalt und römisch-rechtlicher Einfluss xxiii
iure Cesareo doctor) und die Brüder Friedrich und Andreas Herrer aus Schwäbisch Gmünd
(utriusque iuris licentiatus) im Wintersemester 1512115. Alle vor 1510 in der Matrikel ge-
nannten Legisten haben ihre Graduierung außerhalb von Wien erworben.
In den darauffolgenden Semestern wurde bereits eine Handvoll Studierender zu
Doktoren beider Rechte promoviert. Interessanterweise wurden diese in der Folgezeit
auch häufig zu Dekanen gewählt, mit wenigen Ausnahmen hatten dann nur mehr doc-
tores utriusque iuris die Leitung der Fakultät inne116. In Wien hatte sich also bereits vor
den 1520er-Jahren das Zivilrecht etabliert, und immer öfter lassen sich auch namhafte
Persönlichkeiten festmachen, die das römische Recht lehrten. Hier ist beispielsweise der
deutsche Humanist Johannes Alexander Brassicanus zu nennen, der ab 1524 in Wien als
Legist tätig war117. Seit den Reformen Ferdinands I. im Jahre 1533 war eine fixe Lehrkan-
zel für das römische Recht auch schriftlich festgeschrieben118.
Das römische Recht wird aus gutem Grund meist mit den italienischen und bedingt
auch mit den französischen Universitäten in Verbindungen gebracht, doch lohnt sich
auch ein kurzer Blick auf andere Universitäten nördlich der Alpen119.
An der Kölner Universität, einer städtischen Gründung von 1388, bestand seit 1394
eine eigene legistische Fakultät neben der Kanonistik, wie das etwa in Bologna der Fall
war120. Die angehenden Juristen konnten sich in iura (allgemein), ad canones oder ad leges
immatrikulieren121. 1389, also mehr als 100 Jahre vor Wien, standen zu Beginn des ju-
ristischen Lehrbetriebes vier Kanonisten fünf reinen Legisten und zwei doctores utriusque
gegenüber122.
In Erfurt fristete das Zivilrecht bis in die 1430er Jahre ein eher bescheidenes Dasein,
1430 wurde es als gleichberechtigter Teil in die Statuten aufgenommen, und in der Fol-
gezeit stieg der Anteil der legistischen Graduierungen stark an, sodass bereits 1445 der
Anteil der Promotionen beider Rechte die Mehrheit bildete123.
In Leipzig setzen ab der Mitte des 15. Jahrhunderts regelmäßige legistische Promoti-
onen ein, ab den 1480er-Jahren betrug der Anteil der römisch-rechtlichen Abschlüsse an
der Gesamtzahl der juristischen Promotionen 45 Prozent. Eine finanzielle Absicherung
der Legistik erfolgte in Leipzig durch herzogliche Reformen ab 1502124.
Das Vorhandensein römisch-rechtlicher Studieninhalte und der Möglichkeit zur
Graduierung in diesem Fach nördlich der Alpen muss somit auch in die Überlegun-
gen des „Auslandsstudiums“ miteinbezogen werden. Italien blieb aus den oben be-
115 UAW, MFJ II, fol. 53r; UAW, Matrikel der Rheinischen Nation (NR I), 238v; Goldmann, Universität,
122.
116 Im Winter 1512 graduierten Federicus Herer, Andreas Herer, Vdalricus Gebhart und Michael Depfelpe-
ker zum römisch-rechtlichen Doktor; alle hatten in den Folgesemestern das Dekanat inne.
117 Mühlberger, Reform, 34.
118 „In der Juristey Sollen yetzo drey verstendig vnnd wolgelernt lectores gesuecht vnnd furgenomen Inen
auch Zeit wie vnnd wan jedglicher lesen soll dem ainen Canones, dem Anndern leges vnnd dem dritten
Instituta bestimbt werden vnnd Zubesoldung erfolgen vnnd vnnder sy gethailt werden was vorhin funf
lectoren In den Juristey gegeben worden ist.“ Zitiert nach: Kink, Universität 2, 336; Plöchl, Kirchen-
recht, 567.
119 Coing, Römisches Recht, 52–68.
120 Meuthen, Universitätsgeschichte, 128.
121 Wejwoda, Juristenfakultät, 53.
122 Meuthen, Universitätsgeschichte, 128.
123 Gramsch, Erfurter Juristen, 467 f.
124 Wejwoda, Juristenfakultät, 55.
Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis, Volume II:1442–1557
- Title
- Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
- Subtitle
- Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis
- Volume
- II:1442–1557
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20255-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
Table of contents
- 1. Einleitung vii
- 1.1 Forschungsstand viii
- 1.2 Vorhaben und Ziele der Edition x
- 1.3 Die Quelle xi
- 1.4 Der Wert der Quelle – Prosopografische Erkenntnisse xii
- 1.5 Die juridische Fakultät: Studienvoraussetzungen, Studienverlauf und Größe xiv
- 1.6 Paläografische Analyse xvii
- 1.7 „Studium im Ausland“ – Italienaufenthalt und römisch-rechtlicher Einfluss xxi
- 1.8 Statistische Auswertung xxv
- 1.9 Berufliche Wirkungsfelder der Juristen xxxviii
- 1.10 Liste der Dekane xlii
- 1.11 Kurzzitate und Siglen der Quellen und Literatur xlvii
- 1.12 Abkürzungen im Text und in den Registern xlviii
- 1.13 Grundsätze der Edition li
- 1.14 Vorbemerkung zu den Registern lii
- 1.15 Quellen und Literatur liii
- 2. Text der Matrikel 1442–1557 1
- 3. Register 119
- Abstract 259