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Statistische Auswertung xxvii
Bei der Analyse der Frequenz fällt eines sofort auf: Die Zahl der Besucher variiert erheblich!
Dies ist jedoch kein Phänomen, das in besonderer Weise die rechtswissenschaftliche Fakul-
tät betrifft, sondern lässt sich nur unter Einbeziehung der gesamtuniversitären Situation
und der äußeren Einflüsse erklären. Beinahe in jedem Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts sinkt
die Anzahl der Studenten an der Juristenfakultät phasenweise unter zehn. 1442/43 waren
wahrscheinlich Söldnerscharen aus Mähren und Ungarn in Zusammenhang mit den Hus-
sitenkriegen dafür verantwortlich140. In den Folgejahren strömten wieder viele Scholaren in
die Donaustadt, was auch an den Zahlen der Juristenfakultät ablesbar ist. 1451 erlebte die
Wiener Universität mit 771 Einschreibungen einen absoluten Höhepunkt, einer der höchs-
ten Werte, die je an einer mittelalterlichen Universität gemessen wurden141. Die Zahl der
Juristen lag in der Folgezeit fast zehn Jahre lang über der Marke von zwanzig.
Für den massiven Einbruch der Zahlen Anfang der 1460er können einerseits eine
Pestepidemie und andererseits die innerhabsburgischen Kämpfe zwischen Kaiser Fried-
rich III. und seinem Bruder Herzog Albrecht VI. als Erklärung dienen142. Ende der 70er
und Anfang der 80er-Jahre des 15. Jahrhunderts sank die Zahl der Besucher abermals;
auch in dieser Zeit gab es wieder eine Pestepidemie, ausschlaggebend für den zwischen-
zeitlichen Rückgang können auch die von 1477 bis 1490 dauernden Feldzüge des Ma-
thias Corvinus gewesen sein, hier besonders die Belagerung von Wien 1483/84143. Die
hier genannten Einbrüche korrelieren fast immer mit den Zahlen an der Gesamtuniversi-
tät Wien, von einem juristischen Spezifikum kann also nicht gesprochen werden144.
In der Folgezeit, zu Beginn des 16. Jahrhunderts, erlebte die Wiener Universität, von
kleinen Ausnahmen abgesehen, ähnlich wie in der Mitte des 15. Jahrhunderts jedoch
wieder einen Aufschwung145. Hoch sind entsprechend auch die Studentenzahlen an der
Juristenfakultät, die in diesem Zeitraum Maximalwerte erreichen. Bis zum Tod von Kai-
ser Maximilian I. kann von einer Blüte gesprochen werden, dann beginnt jedoch ab den
1520er-Jahren die tiefe Krise der Wiener Universität146, die auch deutliche Spuren an der
Juristenfakultät hinterlässt. Über Jahre kann die Fakultät weder eine Neuimmatrikula-
tion noch eine Graduierung verzeichnen, von ein paar wenigen Ausnahmen abgesehen
pendelt sich die Zahl für knapp drei Jahrzehnte zwischen null und fünf ein. Die Gründe
hierfür sind komplex und vielschichtig: Die herannahenden türkischen Truppen ab den
1520er-Jahren mit dem Höhepunkt der Belagerung von Wien 1529 waren eine äußere
Ursache, die den Studienort Wien höchst unattraktiv erscheinen ließ, und wirkten sicher
noch Jahre später negativ nach147. 1506, 1521 und 1541/42 sind zudem Pestepidemien
überliefert, denen auch Angehörige der Universität zum Opfer fielen. Auch der verhee-
rende Brand von 1525, bei dem ein Drittel der Stadt in Schutt und Asche lag, machte das
Studieren im von Kriegen und Seuchen beeinträchtigten Wien fast unmöglich. Hinzu
kamen Geldentwertung, der Niedergang des Wiener Handels und allgemeine wirtschaft-
liche Probleme sowie damit verbundene finanzielle Schwierigkeiten der Universität148.
140 MFJ I, XV.
141 Schwinges, Universitätsbesucher, 67 f.
142 Schwinges, Universitätsbesucher, 71–73.
143 Rázsó, Corvinus; Schwinges, Universitätsbesucher, 71–73.
144 Schwinges, Universitätsbesucher, 66–73.
145 Schwinges, Universitätsbesucher, 68.
146 Mühlberger, Krisen, 271.
147 Goldmann, Universität, 5 f.
148 Mühlberger, Krisen, 273.
Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis, Volume II:1442–1557
- Title
- Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
- Subtitle
- Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis
- Volume
- II:1442–1557
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20255-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
Table of contents
- 1. Einleitung vii
- 1.1 Forschungsstand viii
- 1.2 Vorhaben und Ziele der Edition x
- 1.3 Die Quelle xi
- 1.4 Der Wert der Quelle – Prosopografische Erkenntnisse xii
- 1.5 Die juridische Fakultät: Studienvoraussetzungen, Studienverlauf und Größe xiv
- 1.6 Paläografische Analyse xvii
- 1.7 „Studium im Ausland“ – Italienaufenthalt und römisch-rechtlicher Einfluss xxi
- 1.8 Statistische Auswertung xxv
- 1.9 Berufliche Wirkungsfelder der Juristen xxxviii
- 1.10 Liste der Dekane xlii
- 1.11 Kurzzitate und Siglen der Quellen und Literatur xlvii
- 1.12 Abkürzungen im Text und in den Registern xlviii
- 1.13 Grundsätze der Edition li
- 1.14 Vorbemerkung zu den Registern lii
- 1.15 Quellen und Literatur liii
- 2. Text der Matrikel 1442–1557 1
- 3. Register 119
- Abstract 259