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xxxviii Einleitung
machen in der Ungarischen Nation die Hälfte aus, die anderen 50 Prozent teilen sich
ungefähr zu gleichen Teilen die Blöcke ‚Böhmen und Mähren‘ bzw. ‚Schlesien und Polen‘,
wobei einige Studenten, die hier Polen zugerechnet sind, gemäß der Nationeneinteilung
zur Sächsischen Nation gehören.
1.9 Berufliche Wirkungsfelder der Juristen
Abschließend stellt sich in Zusammenhang mit der Auswertung der Juristenmatrikel noch
die Frage, in welchem Beruf das Gelernte Anwendung finden konnte. Für Juristen gab es
bis in das 15. Jahrhundert im Reich außerhalb des geistlichen Gerichts nur wenige Stel-
len. Notare, wie es sie in großer Zahl in Italien und Südfrankreich gab, waren nördlich der
Alpen zu diesem Zeitpunkt kaum vorhanden192. Ein im späten Mittelalter stattfindender
Strukturwandel bei den Gerichten und in der Verwaltung, der oftmals als „Professionali-
sierung“ und „Verwissenschaftlichung“ bezeichnet wird, ging mit dem Einfluss gelehrter
Juristen einher193. Die beiden Begriffe sind zweifelsfrei Anachronismen und nicht ganz
unproblematisch in ihrer Verwendung, dennoch kann im Sinne einer „Professionalisie-
rung“ durchaus davon ausgegangen werden, dass im Laufe des 15. Jahrhunderts nicht
ausschließlich der soziale Stand das Kriterium zur Erlangung einer Stelle in einer der
Regierungs- bzw. Verwaltungsbehörden war, sondern auch die fachliche Eignung. Eine
grundlegende Änderung zog die Reichskammergerichtsordnung von 1495 nach sich, die
eine Besetzung des Gremiums zur Hälfte mit graduierten Juristen und zur Hälfte mit Rit-
tern vorsah; Letztere sollten, wenn möglich, auch juristisch geschult sein194. Zunehmend
ist eine verbesserte Struktur der Gerichtsverfahren und der Verwaltung zu erkennen, was
unter anderem wohl auch auf fachkundige Juristen zurückzuführen ist195.
Grob gesprochen lassen sich die möglichen Betätigungsfelder für Juristen des 15. und
16. Jahrhunderts in drei Bereiche gliedern: fürstlich-höfischer, kirchlicher und städti-
scher Dienst. Jeder dieser Bereiche ist natürlich ein heterogener Sammelbegriff, und es
gilt überdies zu bedenken, dass der soziale Stand und die gesellschaftlichen Beziehungen
mindestens genauso wichtig waren wie die fachliche Qualifikation – gerade einflussreiche
Positionen erlangte wohl kein ausgebildeter Jurist nur deshalb, weil er über ein besonders
umfangreiches akademisches Wissen verfügte. Ausschlaggebend für eine Karriere konnte
mitunter auch der Studienort sein. Ein Absolvent aus einer der traditionsreichen nordita-
lienischen Universitäten brachte sicher mehr Glanz an den Dienstort als ein Graduierter
aus einer deutschen Kleinstadt196.
Der Dienst in der fürstlichen Verwaltung stellt die erste große Gruppe der juristischen
Betätigungsfelder dar. Den größten Anteil nehmen hier, neben Juristen bei den Gerich-
ten und im diplomatischen Dienst, die Räte ein. Für die Regierungszeit Friedrichs III.
(1452–1493) kann festgestellt werden, dass der Anteil der Juristen unter den Räten im
Gegensatz zu seinen Vorgängern stark gestiegen ist197. Im Umfeld des Kaisers lassen sich
192 Coing, Römisches Recht, 45; Schmutz, Juristen, 188.
193 Moraw, Gelehrte Juristen, 79.
194 Burmeister, Studium.
195 Schmutz, Juristen, 189 f.; Wejwoda, Rechtspraxis,148 f.; Heinig, Friedrich III., 156 f.
196 Eine ausführliche Auflistung der möglichen Tätigkeitsfelder bietet: Schmutz, Juristen.
197 Moraw, Gelehrte Juristen, 142.
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Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis, Volume II:1442–1557
- Title
- Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
- Subtitle
- Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis
- Volume
- II:1442–1557
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20255-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
Table of contents
- 1. Einleitung vii
- 1.1 Forschungsstand viii
- 1.2 Vorhaben und Ziele der Edition x
- 1.3 Die Quelle xi
- 1.4 Der Wert der Quelle – Prosopografische Erkenntnisse xii
- 1.5 Die juridische Fakultät: Studienvoraussetzungen, Studienverlauf und Größe xiv
- 1.6 Paläografische Analyse xvii
- 1.7 „Studium im Ausland“ – Italienaufenthalt und römisch-rechtlicher Einfluss xxi
- 1.8 Statistische Auswertung xxv
- 1.9 Berufliche Wirkungsfelder der Juristen xxxviii
- 1.10 Liste der Dekane xlii
- 1.11 Kurzzitate und Siglen der Quellen und Literatur xlvii
- 1.12 Abkürzungen im Text und in den Registern xlviii
- 1.13 Grundsätze der Edition li
- 1.14 Vorbemerkung zu den Registern lii
- 1.15 Quellen und Literatur liii
- 2. Text der Matrikel 1442–1557 1
- 3. Register 119
- Abstract 259