Seite - 12 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Weimarer Epoche lesen lässt, dürfte bereits den durch die Boxtrivialliteratur
vagabundierenden Lesern zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgefallen sein; die
Figur des Faustkämpfers gibt den Weimarer Zeitgenossen einiges zu denken
auf.
Eine literaturwissenschaftliche Forschung, die sich in reiner Textanalyse
erschöpft, greift in einer Untersuchung, die Boxen als ein wesentliches Motiv
der deutschsprachigen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts bestimmt, deshalb
auch womöglich entschieden zu kurz: Boxen ist ein Sport, der sich ausufernden
literaturwissenschaftlichen Diskussionen um die adäquate mimetische Dar-
stellung wohl allein schon aufgrund seiner im Wortsinn schlagend werdenden
Wirkkräfte und Auswirkungen sperrt; der Realitätsbezug der Texte über Boxen
scheint buchstäblich; das Erzählte in Boxtexten ist tatsächlich evident und re-
ferenziell.
Boxen trifft im 20. Jahrhundert einen Nerv literarischen Schreibens. Die
vorliegende Arbeit folgt deshalb den Ambivalenzen und dem Halbdunkel des
Boxens; sie spürt, überspitzt formuliert, der „Verknüpfung des Boxens mit allem
und jedem“21 nach. Damit ist einer prinzipiellen methodologischen und inter-
pretatorischen Beliebigkeit jedoch keineswegs Tür und Tor geöffnet. Wie noch
zu erörtern sein wird, folgt Faust und Geist dem Ziel, die in der Zeit der Weima-
rer Republik popularisierte und entsprechend literarisierte Figur des Boxers mit
einer an Michel Foucault orientierten Diskursanalyse – entlang der Prämissen
des Dispositivbegriffs – als eine Schlüsselfigur der Moderne zu etablieren: Die
Kulturtechnik Boxen, die sich aufgrund ihrer übertriebenen Brutalität, Roh-
heit und Aggression als ein kulturelles Kapital auch immer wieder selbst infrage
stellt, kann im Rückgriff auf Foucault als Ausdruck einer Wissens- und Macht-
form beschrieben werden, die zur Konstitution moderner Subjektivität beiträgt
– vor dem chronotopischen Alltagskontext der Epoche der Weimarer Republik,
in der Anzeichen des Performativen, des Architektonischen und Spektakel-
haften eine ebenfalls nicht unerhebliche Rollen spielen.
Deshalb soll das Phänomen Boxen auf den folgenden Seiten als spezielles
soziohistorisches Arrangement untersucht werden, das genauso von außerlitera-
rischen, nicht diskursiven Haltungen wie von diskursiven Zügen und Faktoren
bestimmt scheint. Mit Hilfe von Foucaults Ideenfolgen wird versucht, die Lü-
cke, die sich zwischen den sozialen, politischen, körperkulturellen, ökonomi-
schen und diskursiven Implikationen des Boxens auftut, zu schließen; angestrebt
wird, Boxen als ein Narrativ zu etablieren, das in der Kombination heterogener
Elemente auf den Plan tritt: zwischen diskursiven und praktischen Beständen,
als ein Schnittpunkt der Funktionen des Wissens und solchen der Macht sowie
21 Gumbrecht 2003, S. 68
12 | Teil
I.
Zeitzeichen
Boxen
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440