Seite - 23 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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im Adlon unterschlägt dagegen Schmelings beschwerlichen Weg im Ring. In
Ruhm wird Schmelings öffentlichkeitswirksamer Triumphzug zudem ironisiert;
Schmeling ist hier keineswegs der strahlende Matador, als der er in Ein Boxer
im Adlon in den beiden Schlussstrophen – „Deutschlands Retter“ – erscheint:
Zähne flogen, Rippen, Kiefer krachten –
dieser schlug Amerika knock out!
Siegreich kehrte er heim aus allen Schlachten.
Preist den Boxerhelden! Preist ihn laut!
Ihn umdrängen Arme, Brüste, Lippen –
Schmeling bangt’s schon um die eigenen Rippen.
Er, der stehenblieb in tausend Runden,
der es jedem Gegner eingetränkt,
blutet jetzt von der Begeisterung Wunden,
Liebe hat die Glieder ihm verrenkt.
Tragt ihn fort, sonst ist er eine Leiche!
In den Postraum mit der deutschen Eiche! …3
Joachim Ringelnatz, Paul Zech, Erich Maria Remarque und Vicki Baum werden
bis heute ebenfalls so übertrieben wie teils unbegründet mit Boxen assoziiert,
obwohl sie mit der Praxis (und auch Theorie) dieses Sports wenig zu tun hatten;
allein die Wirkmächtigkeit des Boxens zu Beginn des 20. Jahrhunderts scheint
falsche biografische Zugriffe zu rechtfertigen. Boxen als zentrales Agens wird in
Werk und Lebenslauf dieser Autoren fast schon leichtfertig inkorporiert; Boxen
als Schlüsselphänomen präsentiert sich als ausdauernd kursierende Behauptung,
die sich in Überblicksdarstellungen, biografischen Schriften und Bibliotheks-
verzeichnissen festsetzt.
In einer Nebenbemerkung seiner 2009 veröffentlichten Joseph-Roth-Biogra-
fie notiert Wilhelm von Sternburg, Remarque habe in seinen journalistischen
Arbeiten bevorzugt über „Boxkämpfe und die Bekleidung der Auto fahrenden
Damen“4 berichtet; Ringelnatz wiederum habe, behaupten Knud Kohr und
Martin Krauß in Kampftage, der ersten umfassenden Geschichte des deutschen Be-
rufboxens, unter seinem bürgerlichen Namen Hans Bötticher etliche Boxfachbü-
cher verfasst5: „Einer der fleißigsten Förderer des Boxsports war der Schriftstel-
ler Hans Bötticher, der unter dem Pseudonym Joachim Ringelnatz bekannter
3 Ebd., S. 145f (Hervorh. im Orig.)
4 Sternburg 2009, S. 238
5 Vgl. Kohr, Krauß 2000, S. 15 u. 54 23
Kritikpunkte:
Propagierungsmaschinerie
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FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440