Seite - 26 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Daß er mir eine Selbstsicherheit einpflanzte, ganz, als könnte ich jeden Tag in die
Lage kommen, kämpfen und dann unter allen Umständen siegen zu müssen, und
mich daran gewöhnte, nie und nimmer aufzugeben, ist mir in jenen Jahren von
großem Nutzen gewesen.24
Baum beweist zumindest feines Gespür für die Popularität des Boxens. Ihre Be-
suche im Boxstudio von Mahir, bei denen die Autorin zumeist von ihrer Familie
begleitet wird, lässt sie nicht ohne Hintersinn auf massenhaft publizierten und
rezipierten Pressefotos dokumentieren; den Seilspring-Sieg über Diener weist
sie später jedoch entschieden zurück25; in den journalistischen Texten Baums ist
kein Beleg zum Boxen auffindbar.26 Die Autorin erkämpft sich ihr modisches
Image buchstäblich mit harten Bandagen. Sie wird zu einem Fall für jenen Teil
der Sporthistorie, der allein mit sportlicher Strahlkraft operiert.
Randphänomen Frauenboxen
In Horst Hellwigs trivialliterarischem Boxerroman Der Mann am Faden von
1931 findet sich die seltene Darstellung eines Frauenboxkampfs. Der Boxer
Tom King sitzt darin „mit großen Augen in dem eleganten Kabarett“27 und
sieht „Damenboxkämpfen“28 zu. King beugt sich interessiert vor: „Bums – die
Gegnerin der Roten mußte einen Schlag einstecken, der gesessen hatte. Tom
als Fachmann merkte natürlich bald, daß dieses Boxen eine abgekartete Sache
war, bei der ab und zu mal das Temperament der einen oder anderen Partnerin
durchging.“29 Boxende Frauen spielen in den 1920er-Jahren „keine […] Rol-
le“30; ihnen wird allein eine Art strukturelle Verstärkerfunktion für die Domi-
nanz des sportlichen Männlichkeitsentwurfs zugestanden31: Frauen im Ring
24 Baum 1968, S. 395
25 Vgl. Nottelmann 2009, S. 134f
26 Vgl. E-Mail von Baum-Biografin Nicole Nottelmann vom 4. Oktober 2013 an WP
27 Hellwig 1931, S. 203
28 Ebd.
29 Ebd.
30 Krauß, 2001, S. 90
31 Zur Geschichte des deutschen und internationalen Frauenboxens vgl. Kohr, Krauß 2000, S. 231–
237; Krauß 2001, 89–97; Job 2006, S. 134; Ellwanger 2008, S. 30f; Sammons 1988, S. 53–59;
Luckas 2002, S. 309–320; Erik N. Jensen analysiert das Frauenboxen in der Zeit der Weima-
rer Republik detailliert und differenziert, vgl. Jensen 2013, S. 71–98; Wolf-Dietrich Junghanns
macht auf ein Boxkuriosum aufmerksam, nämlich auf die Widerlegung des „,Mythos von der
Frauenfaust‘ (Daumen nach innen)“, vgl. Junghanns 2001, S. 14
26 | Teil
I.
Zeitzeichen
Boxen
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440