Seite - 27 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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lassen boxende MÀnner viriler erscheinen. BoxkÀmpfe zwischen Frauen finden
auf JahrmĂ€rkten und in VarietĂ©s statt und entsprechen einem anrĂŒchigen Ver-
gnĂŒgen, âdas von der Sportberichterstattung eher lĂ€cherlich gemacht als ernst
genommen wurdeâ32. BerĂŒhmtheiten wie die Schauspielerinnen Marlene Die-
trich, Carola Neher und Elisabeth Lennartz nehmen zwar Boxunterricht, der
Ring bleibt fĂŒr sie aber gesperrtes Terrain. Sport in der Weimarer Zeit ist ein
bevorzugtes BetĂ€tigungsfeld fĂŒr MĂ€nner â fĂŒr den âHerrensportlerâ33 und den
âSportsmannâ34. Der Frau bleiben im öffentlichen Leben â der âAbschaffung
des Korsettsâ35 und âwahrer âWeiberfleischorgienââ36 auf den BĂŒhnen der Re-
vuen und VarietĂ©s zum Trotz â die Rollen der âsportlich-knabenhafte[n] Kin-
derfrauâ37 und des âSportgirlâ38 vorbehalten; die jungen weiblichen Angestellten,
âdie âTippmamsellsâ, âBĂŒrofrĂ€uleinsâ und âLadenmĂ€dchenâ [âŠ] geisterten [âŠ]
als Mythos durch die Feuilletons und Fortsetzungsromane meist mÀnnlicher
Schreiberâ39. Sport ist fĂŒr Frauen in den 1920er-Jahren zwar akzeptiert, aber nur
als ââSportelnâ in den sogenannten weiblichen Disziplinen: Turnen, Gymnastik
und besonders Tanz. Tanzen, Tanzlust, Tanzsport sind vor allem weiblich.â40
NS-Verstrickungen
Als Zeugnisse des Boxsportbooms in den 1920er- und 1930er-Jahren werden
auf den folgenden Seiten auch Texte von Autoren angefĂŒhrt, die in der Zeit
des anbrechenden Nationalsozialismus eine ideologisch Ă€uĂerst bedenkliche
Schlagseite zeigen.41 So schwingt sich der MĂŒnchner Schwergewichtsboxer
Ludwig Haymann, aus dessen Boxsportanleitung Deutscher Faustkampf nicht
pricefight zitiert werden wird, zu einem hetzerischen Chefideologen des NS-
Regimes auf und wird hauptamtlicher Sportredakteur des Völkischen Beobach-
32 Schaper 2006, S. 11
33 Luckas 2002, S. 69
34 Geisow 1925, S. 43
35 Berg 1993, S. 5; vgl. auch Dierker et al. 1986, S. 174
36 Berg 1993, S. 5
37 SchĂŒtz 1986, S. 121
38 Egger 1999, S. 83
39 Scheub 2000, S. 15
40 Haustedt 1999, S. 118
41 Zum Thema Boxen und Nationalsozialismus vgl. Haft 2009; Hen 1964; Kohr, Krauss 2000, S.
87; Repplinger 2008, S. 277â288; Hoberman 1984, S. 18f; Klemperer 2005, S. 244f; Klemperer
1995, S. 117; die Belegstelle aus Mein Kampf, in der Adolf Hitler die VorzĂŒge des Boxens als
Soldaten- und Volkserziehungsinstrument thematisiert, verorten etwa historisch Kreutzer 1970,
S. 570, u. Repplinger 2008, S. 138f 27
Kritikpunkte:ï»ż
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FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂŒberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: LĂŒckenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und NebenschauplÀtze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten ErzÀhlliteratur 160
- âZeitfigurâ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440