Seite - 30 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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den Weltkriegswirren ab 1914 über das Umbruchsjahr 1918 bis zur Machter-
greifung Hitlers 1933 spannt.
Boxen hinterlässt mannigfaltige literarische Spuren. Durch die Einbeziehung
von Textsorten variierender Niveaus wird die Verbreiterung der Materialbasis
erreicht, wie es in Hinblick auf die Fragestellung erforderlich scheint: Die Masse
der trivialliterarischen Texte über das Boxen, die „sich ganz dem Wunschdenken
der Leser anschmiegen“2, erschöpft sich zwar weitestgehend in Wiederholung
und Variation einer überschaubaren Zahl von Topoi; dennoch werden auch Texte
der Unterhaltungsliteratur zum Boxen erfasst, um Zeitströmungen und Alltags-
ideologien durch die Befragung von Stereotypen und Trivialisierungen besser
auffächern zu können: Auf welche Weise, in welcher Absicht und mit welchen
sprachlichen und formalen Mitteln wird Boxen von heute nahezu vergessenen
Autoren wie Hannes Bork (Der deutsche Teufel), Horst Hellwig (Der Mann
am Faden), Felix Hollaender (Das Erwachen des Donald Westhof), Ernst Klein
(Kämpfer), W. K. von Nohara (Theo boxt sich durch), Werner Scheff (Der Boxer,
zwei Frauen und ein Pfeil), Max Schievelkamp (In der dritten Runde), Johannes
Sigleur (Männer im Ring), Adolf Uzarski (Beinahe Weltmeister), Victor Witte
(Verliebtsein ausgeschlossen), Ludwig von Wohl (Der große Kampf) und, als einzige
Frau in diesem von Männern dominierten Prosabiotop, Olga Wohlbrück (Ath-
leten) literarisiert? Wie gehen Vicki Baum (Menschen im Hotel) und Paul Gurk
(Berlin) mit dem Thema um? In welcher Form findet sich Boxen im Querschnitt
thematisiert, jener 1921 vom Galeristen Alfred Flechtheim gegründeten und im
September 1936 vom NS-Regime verbotenen Publikation, die Boxen als eigene
Kunstform darzustellen versucht – und deren Untertitel in der Forschung kon-
sequent falsch mit Magazin für Kunst, Literatur und Boxsport3 angegeben wird?
„Der Querschnitt hält es für seine Pflicht, den Boxsport auch in den deutschen
Künstlerkreisen populär zu machen“4, postuliert das Magazin indes bereits 1921
in einer Fußnote zum Text Wie gewinnt der Boxsport das Allgemein-Interesse?
2 Schulte-Sasse 2001, S. 562
3 Vgl. Kohr, Krauss 2000, S. 50; Extra 2006, S. 194; Seliger 1974, S. 57; korrigierend dazu Haerdle
2003, S. 28; Sicks 2005, S. 34; Heft 1 von Januar 1921 trägt den Titel Der Querschnitt – Margina-
lien der Galerie Flechtheim; das Doppelheft 4/5 von Ende September 1921 verzichtet bereits auf
den Titelzusatz; unter der Kopfzeile Der Querschnitt sind ab diesem Zeitpunkt die Namen der
wechselnden Herausgeber und der Name von Gründer Alfred Flechtheim notiert; ab Heft 2 von
Ende Februar 1931 verzeichnet die Publikation auf dem Cover nur mehr den Titel Der Quer-
schnitt; lediglich in Heft 2/3 von Sommer 1924 taucht der Begriff „Boxen“ auf dem Titelblatt (in
Form des Inhaltsverzeichnisses) auf: „96 Seiten Text und 136 Abbildungen nach griechischen
Gemälden und moderner Kunst, Bildnisse von […] Royalties / Boxern / Drachen und Nil-
pferden […].“
4 Kloot 1921, S. 221
30 | Teil
I.
Zeitzeichen
Boxen
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440