Seite - 33 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Art Kupplungsglied von Diskursen und Praktiken. Individuen können sich mit
Hilfe von Dispositiven die Welt sortieren; in der Zeit der Weimarer Republik
stellt unter anderem Boxen ein dispositives Mehr zur Verfügung, das Hand-
lungsanweisungen für bestimmte Diskurse und Praktiken bereithält. Der me-
thodologisch-methodische Zugriff, der hier also vorgeschlagen wird, ist der des
Dispositivs, wie er von Foucault in methodischen Grundzügen in Überwachen
und Strafen und, bereits erweitert, in Der Wille zum Wissen9 sowie in einem 1977
mit Vertretern des Teams Psychoanalyse der Universität Vincennes-Saint Denis
geführten Gespräch10 entwickelt wurde.
Für die Literatur ist die Leistung des vorgeschlagenen Erklärungsmodells
durchaus beträchtlich. Was die Weimarer Zeitgenossen qua boxspezifischer
Erlebnishysterie in ungeordnetem Gemisch und chaotischer Dynamik11 – in
schierer „Explosion verschiedener Diskursivitäten“12 von Sport, Technik, All-
tags- und Arbeitswelt – erfuhren, kann so weitestgehend aufgelöst, in seine Be-
standteile zerlegt, analysiert und diskutiert werden. Gemäß Foucault umfassen
Dispositive die Gesamtheit von Diskursen, Praxen, Institutionen, Maßnahmen,
Gerätschaften und Disziplinen – in diesem Sinn stellt Boxen ein dominantes
Dispositiv dar. „Ein bestimmter Sport ist zu einem gegebenen Zeitpunkt ein
wenig wie ein musikalisches Werk“13, stützt Pierre Bourdieu in Programm für
eine Soziologie des Sports im Schatten Foucaults die vorgeschlagene Herange-
hensweise. Der Sound des Boxens durchströmt die 1920er-Jahre regelrecht.
1.
Bedeutungsgenerierung:
Kräftefeld
Boxen
Vorab ist freilich die definitorische Rahmung des Begriffs „Boxen“ erforderlich,
der durch seine zahllosen Konnotationen und künstlerischen Implikationen14
nur bis zu einem gewissen Grad bestimmbar scheint: „The ring of boxing is not
only roped, it is troped.“15 Boxen weckt kontrastierende Verwendungsweisen,
motiviert von unterschiedlichen Antriebskräften. Kafka etwa pointiert seine
zögerliche Haltung 1907 in einem Brief mit dem Bildfeld: „Andere Leute ent-
schließen sich einmal von Zeit zu Zeit und inzwischen genießen sie ihre Ent-
schlüsse. Ich aber entschließe mich so oft wie ein Boxer, ohne dann allerdings
9 Vgl. Jäger 2001, S. 72; Foucault 1983, S. 77–128; Foucault 2003, S. 391ff
10 Vgl. Foucault 2003, S. 391–396
11 Vgl. Peukert 1987, S. 266
12 Foucault 1983, S. 38f
13 Bourdieu 1992, S. 202
14 Vgl. Scott 2008, S. 63ff
15 Conover 2008, S. XIX 33
Vorstellung
der
Methode:
Dispositiver
Gefechtsraum |
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440