Seite - 37 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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stehe, so Link, ein „,subjektiver‘ Verfügungs-Pol“43 gegenüber. Gilles Deleuze
rückt das Dispositiv schließlich in die Nähe der zu Beginn der 1930er-Jahre
vorgestellten mechanischen Lesemaschinen Raymond Roussels, die helfen soll-
ten, Roussels ausschweifende Textproduktion lesbar zu machen. Dispositive, so
Deleuze, glichen Maschinen, um damit „sehen zu machen oder sehen zu las-
sen“44, um „sprechen zu machen oder sprechen zu lassen“45. Foucault widmet
in den 1960er-Jahren Roussel bekanntlich eine eigene monografische Studie.46
Um die sich kreuzenden Linien des Dispositivs zu entwirren, schlägt Deleuze
vor, die einzelnen Segmente in die Zeichensprache einer physischen Karte zu
übersetzen, um auf diese Weise „unbekannte Länder“47 auszumessen: Boxen,
dem nicht salonfähigen Kellerkind der Kulturwissenschaften, kommt auf dem
abgesteckten Display also durchaus auffallende Bedeutung zu. Foucault endlich
erteilt der eindeutig begrifflich-inhaltlichen Fixierung des Explorationsinstru-
ments Dispositiv eine klare Absage: „Wir müssen uns nicht einbilden, dass uns
die Welt ein lesbares Gesicht zuwendet, welches wir nur zu entziffern haben.
Die Welt ist kein Komplize unserer Erkenntnis.“48 Der französische Sozio-
loge François Ewald nennt dies Foucaults „vagabundierendes Denken“49. Nicht
nur, dass der Begriff „Dispositivanalyse“50 keine eigenständige Methode, keine
„,geregelte‘ und ,verregelt‘ methodische Vorgehensweise“51 bezeichne, schrei-
ben Andrea Bührmann und Werner Schneider in Vom Diskurs zum Dispositiv:
Foucaults Philosophie erwecke, notiert Gilles Deleuze, zudem auch den Ein-
druck, sie wäre selbst konkrete Dispositivanalyse.52 Foucault differenziert zwi-
schen Struktur und Praxis – in der Absicht, entgegengesetzte diskursive und
nicht diskursive Konzeptionen zu synthetisieren, ohne diese jedoch in ein end-
gültiges Ordnungsschema zu pressen: Abermals sei in diesem Zusammenhang
auf Foucaults zentrale Gedankenfolge vom Dispositiv als einem Netz hinge-
wiesen, dass, wie bereits weiter oben erwähnt, zwischen den einzelnen Ele-
menten hergestellt werden könne.53 Auch insofern wird der Boxer zu einem
Sonderfall von Foucaults historischem Normalisierungsmodell des einzelnen,
43 Ebd.
44 Deleuze 1991, S. 154
45 Ebd.
46 Vgl. Foucault 1989
47 Deleuze 1991, S. 153
48 Foucault 1977, S. 36
49 Ewald 1978, S. 7
50 Bührmann, Schneider 2008, S. 16 (Hervorh. im. Orig.)
51 Ebd.
52 Vgl. Deleuze 1991, S. 153
53 Vgl. Foucault 2003, S. 392 37
Vorstellung
der
Methode:
Dispositiver
Gefechtsraum |
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440