Seite - 41 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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wissenschaftlichen Analyse fiktional-dichterischer Texte zu sein: Gerade beim
literarisierten Boxen mit seinen diskursiv ineinander verschalteten Ebenen sind
jedoch Einwände gegen diese Form der methodologischen Lektüre angebracht
– und Robert Musil wird, wie in dem entsprechenden Abschnitt noch gezeigt
wird, in seiner Poetik eine neue Form der Anwendbarkeit vorführen. Boxen soll
hier deshalb auch nicht als ein weiteres, neu zu generierendes Dispositiv darge-
legt werden: Mit Foucaults Instrumentarien wird das breite diskursive Feld bloß
durchschritten, wobei sich die darstellerischen, essayistischen und reflexiven
Vorzüge der erzählenden Literatur in punkto Boxen schnell erweisen werden.
Foucaults ausführlichste Umschreibung des Dispositiv-Begriffs findet sich in
dem Interview von 1977, das bereits belegt wurde:
Das, was ich mit diesem Begriff zu bestimmen versuche, ist erstens eine entschie-
den heterogene Gesamtheit, bestehend aus Diskursen, Institutionen, architektoni-
schen Einrichtungen, reglementierenden Entscheidungen, Gesetzen, administrati-
ven Maßnahmen, wissenschaftlichen Aussagen, philosophischen, moralischen und
philanthropischen Lehrsätzen, kurz, Gesagtes ebenso wie Ungesagtes, das sind die
Elemente des Dispositivs. Das Dispositiv selbst ist das Netz, das man zwischen
diesen Elementen herstellen kann.83
Dispositive entsprechen demnach Strukturierungen und Arrangements, we-
niger sozialhistorischen Realien mit konkret fassbaren Inhalten. Sie konstitu-
ieren sich in „dominant strategische[r], also disponierende[r] Funktion“84 aus
einer Vielzahl erheblich divergierender Grundelemente, die „potentiell alles
Erdenkliche“85 umfassen: Gebote, Gefühle, Gesetze, Praktiken, Protokolle, un-
wissenschaftliche Aussagen und selbst „Verdrängtes“86; soziologische Katego-
rien des Handelns und Seins, bauliche Anordnungen, Themen und Theorien,
Aussagen und Schriftstücke, mithin also eine „Vielheit“87 aus Diskursivem und
Nicht-Diskursivem. Im weiteren Verlauf des Gesprächs betont Foucault 1977
auch vier zentrale Funktionen für das Verständnis seines methodischen Ansatzes
und dessen Begriffsinventars. Besonders streicht er die dominant strategische,
also disponierende Funktion des Dispositivs heraus: Dispositive kombinieren
in interdiskursiver Funktion sowohl verschiedene Diskurse als auch diskursive
wie praktische Elemente. Dispositive sind einerseits als Resultate von Prozessen
83 Foucault 2003, S. 392
84 Link 2008, S. 239
85 Agamben 2008, S. 9
86 Ruoff 2007, S. 101
87 Deleuze 1991, S. 157 41
Vorstellung
der
Methode:
Dispositiver
Gefechtsraum |
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440