Seite - 48 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Sport in der Literatur, in denen sich eine Art Ereignisgeschichte zur Sportlite-
ratur des 20. Jahrhunderts in extenso entfaltet, wird das literarisch vermittelte
Boxen in den 1920er-Jahren ebenfalls nur am Rande erwähnt. Die methodolo-
gische Konzeption von Sport in der Literatur hält einer kritischen Überprüfung
allenfalls mit Abstrichen stand: Leis filtert – angelehnt an Barthes’ „Kreis der
Fragmente“33, dargelegt in dessen autobiografischem Text Über mich selbst – die
kumulativ anwachsenden Primärtextgebirge zum Sport von der Renaissance bis
in die Postmoderne nahezu ausschließlich in Kategorien der Nacherzählbarkeit
und Inhaltsdarstellung; die boxliterarischen Texte werden auf das Niveau farblo-
ser Illustrationen vager Theoriekonzepte gedrückt, ohne Einblicke in Detailas-
pekte zu liefern. Die diagnostische Federführung gibt Leis freiwillig durch die
Behauptung der geschichtsphilosophischen These aus der Hand, wonach sich
das Sportgeschehen im 20. Jahrhundert weitestgehend abseits ideologischer Zu-
richtungen und Beeinflussungen entfaltet habe.34 Das Ideal des vom Ballast des
Ideologischen befreiten Athleten wird blindlings prolongiert.
Wolf-Dietrich Junghanns widmet sich in Jagdszenen und Heldensagen,
Öffentlichkeiten und Mehr Brot, bessere Spiele! dagegen mit Gewinn gleich zwei
boxästhetischen Nebenaspekten: Zwischen der Licht-Dominanz und dem „grell
erleuchteten Podium“35 seien, so Junghanns, Interdependenzen auszu machen;
weiter weist er auf das „kommunikative Potential“36 des Boxens hin, das sich
speziell im US-Sportboom der 1920er-Jahre in Form eines „Ballyhoo für Box-
kämpfe“37 gezeigt habe; Junghanns’ Schriften zu Lichtmetaphorik und zum Zu-
schauerkollektiv binden zentrale Komponenten in die Diskussion des Boxens
ein.
Hanns-Marcus Müller wiederum betrachtet Sport als ein Zentralthema der
essayistischen Zwischenkriegsliteratur. Sport erscheine darin als „individualis-
tische Gegenfigur zur alten Zeit“38, wobei gerade die Figur des Boxers zu ei-
nem „Symbol des so genannten ,Amerikanismus‘“39 erhoben werde; diese gelte
als „personifizierte Maschine“40 und „körperlich gewordene Hoffnung auf die
egalitäre Kraft der Abstraktion“41 im emotionsfreien Dienst der athletischen
Selbstbeförderung. Der allgemeinen Tendenz der Zwischenkriegszeit, den Kör-
33 Barthes 1978, S. 101
34 Vgl. Leis 2000, S. 13–30
35 Meinhardt 1996, S. 70
36 Junghanns 1998, S. 58
37 Ebd.
38 Ebd., S. 69
39 Ebd., S. 63
40 Ebd., S. 41
41 Ebd.
48 | Teil
I.
Zeitzeichen
Boxen
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440