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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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thus überblendet die Denkhaltung des Konfrontativen mit Bildern des Boxens: „Trotz sicherlich erhöhter Reizbarkeit sind durch diese täglichen Sensationen unsere Nerven trainiert und abgehärtet wie die Muskulatur eines Boxers gegen die schärfsten Schläge.“60 Individualerfahrung. Kollektiv in die Krise Dem vaterländischen Rausch, der die Nation unter Hurra- und Hochrufen als Schicksalsgemeinschaft 1914 in den Krieg ziehen lässt, folgen kalte Ernüchte- rung und die Grunderfahrung der „Orientierungslosigkeit“61. Man fühlt sich spätestens 1918 in eine stumpfe „Nichtzeit“62 versetzt, in der das „Herr-des- eigenen-Lebens-Sein“63 nicht mehr möglich scheint. Die Erfahrung der Krise wird bald auf die Stellvertreterfigur des zum rebellischen Einzelkämpfer stili- sierten Boxers projiziert. In bewegter Epoche treibe man, notiert Karl Jaspers in Die geistige Situation der Zeit, im „Dasein wie in einem Meere“64. Für die Spanne weniger Ringrunden schaffen Boxer dagegen Klarheit und Halt: Die Regeln, Vorgehensweise und das Ziel der boxsportlichen Unternehmung sind augenfällig fixiert. Georges Sorel notiert 1908 in einem Brief, dass die Zeitge- nossen von „bösartigen Mächten“65 umgeben seien, „die stets bereit sind, aus einem Hinterhalt hervorzutreten, um sich auf uns zu stürzen und uns zu Boden zu schlagen;  von da entspringen sehr wirkliche Leiden.“66 Im Ring mit seinem Regelwerk wirkt derweil fast schon ostentative Ordnung – das offene Spiel der Muskelkraft. Auf den Boxer als Integrationsfigur einigen sich Linke, die Soli- daritäts- und Parteidenken favorisieren, wie Rechte, die Vorstellungen von Volk und Kameradschaft präferieren.67 Die politischen Kräfte von Rechts und Links, die sich feindlich gegenüberstehen68, können im Boxer den furchtlosen Einzel- kämpfer wider das Establishment oder den gesellschaftlichen Paria, den Rächer oder Rebellen, den tumben Muskelprotz oder den gewieften Krafttaktiker er- kennen. Die Glorifizierung von Drill, Disziplin, Siegesgewissheit, Erfolgsden- ken und schnellem Gelderwerb können im Boxer dagegen liberal gesinnte Zeit- 60 Pinthus 1965, S. 130 61 Peukert 1987, S. 266 62 Wendler 1974, S. 170 63 Ebd., S. 177 64 Jaspers 1998, S. 30 65 Sorel 1969, S. 19 66 Ebd.; der Philosoph Wilhelm Benary erkennt im Sport 1913 das „ideale Kampffeld“, vgl. Benary 1913, S. 45 67 Vgl. Wendler 1974, S. 170f 68 Vgl. Büttner 2008, S. 298f u. 303 59 Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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