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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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geht“, so der Jüngere der Mann-Brüder, „einer Zeit, […] in der Verrohung und Verflachung ungeahnte Orgien feiern.“104 Boxen mit seinen schnellen Abfolgen von Angriff und Abwehr findet sich als Teil großstädtischer Betriebsamkeit und Ruhelosigkeit repräsentiert105; die „Reizworte der Zeit“106 finden sich im Boxen – als Chiffren einer Sportart „explosive[r] Schnelligkeit“107 – wie als zentrale Vorstellungsrelais im „Geschwindigkeits-Fetischismus“108 wieder. Die Sportler sind der „Chronometerhaftigkeit“109 ganz direkt ausgeliefert. Die zwanziger Jahre werden gleichermaßen von einer Macht bestimmt, die Goethe noch ehr- fürchtig veloziferisch nannte – eine Wortschöpfung, die sich aus Luzifer und velocitas, Geschwindigkeit, zusammensetzt. Massenphänomen. Sporttaumel. Heldenkult Spätestens ab 1918 avanciert das Phänomen der Masse zu einem Ausdruck mo- dernen Lebens.110 Die schiere Zahl von Menschen auf der Suche nach dem „Abenteuer der Anonymität und ihrer Reize“111 beginnt das Bild des Großstäd- tischen durch Boulevardmedien, Großveranstaltungen und Marschkolonnen zu prägen112; die Masse wird „nach dem Ersten Weltkrieg zum Signum urbanen Lebens schlechthin“113. Selbst ein Skeptiker wie Siegfried Kracauer zeigt sich vom Phänomen der großen Ansammlung nicht unbeeindruckt. Durch das Auf- gehen der Bildungsschicht in den Massen, stellt Kracauer 1926 im Essay Kult der Zerstreuung fest, sei jenes „homogene Weltstadt-Publikum“114 entstanden, das 104 Mann 1984, S. 239; noch im Oktober 1930 appelliert Thomas Mann an seine Zeitgenossen: „Die abenteuerliche Entwicklung der Technik mit ihren Triumphen und Katastrophen, Lärm und Sensation des Sportrekordes, Überschätzung und wilde Überbezahlung des Massen anzie- henden Stars, Box-Meetings mit Millionen-Honoraren vor Schaumengen in Riesenzahl: dies und dergleichen bestimmt das Bild der Zeit zusammen mit dem Niedergang, dem Abhanden- kommen von sittigenden und strengen Begriffen wie Kultur, Geist, Kunst, Idee.“ (Mann 1965, S. 70) 105 Vlg. Fleig 2005, S. 84 106 Fischer 1999, S. 40f; vgl. Schütz 1986, S. 14f 107 Binhack 1998, S. 166 108 Lethen 1994, S. 23; vgl. Werner 1962, S. 81 109 Graeser 1927, S. 38 110 Vgl. Canetti 1980, S. 214–226 111 Knopf 1996a, S. 37 112 Vgl. Peukert 1987, S. 163; Egon Erwin Kisch vermeint aus dem Geist des „Zuschauertum[s], aus dessen Fanatismus“ (Kisch 1928, S. 7) den Anstoß zum Ausbau des „Berufsspielerwesen[s]“ ableiten zu können, ebd. 113 Cowan, Sicks 2005, S. 20; vgl. Kolb 2002, S. 106 114 Kracauer 2004, S. 210 (Hervorh. im Orig.) 63 Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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