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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Boxen begeistert durch institutionalisierten Kampf, reglementierte Kraftver- schwendung und manipulierbaren Körperverschleiß; der Boxer weiß sich dem „gefährlichen Augenblick“316 der Weimarer „Präsenzkultur“317 zu stellen. In den stereotyp geprägten Bildern des Boxens vereinen sich letztlich Körperkraft und Kraftbeherrschung; Drill und Disziplin; Vielseitigkeit und Virtuosität; Tech- nikbegeisterung und regulierter Tatendrang; das Ziel lautet „totale Funktionali- tät“318. Die beim Boxen angewandten Praktiken überschreiten aber zugleich die Grenzen traditioneller Körperimagination. Boxer werden zu Bedeutungsträgern, indem sie Körperästhetisierung und Körpertechnisierung, Körperstilistik und Kraftdominanz, Spontanreaktion und Stehvermögen erzwingen. Der Unsicher- heit und Brüchigkeit, den bestimmenden Gefühlslagen der Moderne, hält der Boxer Wirkungsvermögen, Ausdauer und Leistungsbereitschaft entgegen. Die Gestalt des Boxers wird zu einem „Symbol für Totalität“319 hochstilisiert und gegen die aus der Epoche des Wilhelminismus rührende Furcht vor dem „nich- tidealen Körper“320 in Stellung gebracht; der Boxer verkörpert das Gegenpro- gramm zur Angst vor dem körperlichen Formverlust, welche für die Zwischen- kriegszeit bestimmend ist321; es gilt, den „Grenzwert des Amorphen“322 nicht zu überschreiten; nicht nur die „Fanatiker des Sich-in-Form-Bringens“323 blicken im „Gefolge der Gestaltlosigkeitserfahrung des Ersten Weltkriegs“324 zum Bo- xer hoch. Die Ende des 19. Jahrhunderts einsetzende Industrialisierung trägt zusätzlich zu einer Neubestimmung des Körperlichen bei. Der zuvor kultivierte Entwurf des harmonisch-schönen Körpers wird, von den neu erschlossenen Wissensgebieten der Physiologie und Psychologie irritiert, von einem Körper- modell verdrängt, bei dem Effizienz und Leistungsvermögen im Vordergrund stehen325; die Gestalttheorie gießt Bewegung in Zahlenkolonnen um.326 Die Bühne des Boxens dient deshalb auch bald als ein wesentlicher Präsentations- und Austragungsort moderner Körperwahrnehmung; der Boxer, der moderne Asket, der sich für den Sieg im Ring kasteit und sich, wie das Klaus Theweleit in seiner kultur- und körperkritischen Schrift Männerphantasien dem Solda- 316 Bohrer 1981, S. 43 317 Gumbrecht 2005, S. 41 318 Fischer 1999a, S. 114 319 Sicks 2006, S. 201 320 Wedemeyer 1999, S. 38 321 Vgl. Lethen 2014b, S. 230 322 Lethen 2014a, S. 80 (Hervorh. im Orig.) 323 Ebd. 324 Wolf 2011, S. 181 325 Vgl. Wedemeyer 1999, S. 37; Cowan, Sicks 2005, S. 15 326 Vgl. Wertheimer 1925, S. 19f 82 | Teil I. Zeitzeichen Boxen
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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