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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Gerührt, erschüttert und gehoben frage ich mich und dich, o Leser, die wir alle Boxer sind im Ring des Lebens, ob es in unseren Kämpfen ebenso moralisch, rit- terlich, objektiv, sachlich – fast möchte ich sagen philosophisch zugeht, wie auf dem seilumgürteten Podium der Faustkämpfer. Wie im Leben gilt auch hier, daß der eine stärker und der andere schwächer ist. Dies ist ein Gesetz, das so lange die Menschen Fäuste haben, in Gültigkeit bleibt. […] Wo ist in der Arena der größeren Boxer der Schiedsrichter, dessen Wink man aufs peinlichste befolgt und der bis Zehn zählt? Wo ist in der Weltgeschichte der mächtige Unparteiische, der sagt:  Stop, hier liegt einer am Boden: wer weiter zu- schlägt ist ein Feigling und wird disqualifiziert!380 Den aktiven Boxern wird gutgläubig Erfahrungskompetenz zugeschrieben.381 Kurt Prenzel behauptet in der autobiografischen Schrift Wie ich zum Boxen kam, wer im Ring stehe, der habe sein „Schicksal in der Hand“382; sein Kollege Au- gust Kudernatsch fordert in dem Manifest Lebe für deine Gesundheit, dass in der „Zeit des harten Kampfes ums Dasein“383 die Jugend durch den „Sport zu energischen, seelisch widerstandsfähigen Menschen“384 geformt werden müsse. In den Köpfen der Weimarer Zeitgenossen finden überhitzte Amalgamierungen vom Auf und Ab des Lebens mit den diskursiven Formationen des Boxens statt: Das Dasein wird zu einer Krise in Permanenz erklärt; im Boxen feiert sich das Pathos des Überlebens.385 Hans Natonek koppelt Alltagsdeprivation und Ring- gefahr zum Hymnus Bruder Boxer: Ohne ersichtlichen Grund stürzen sich zwei Männer aufeinander und schwingen nach einem bestimmten Ritual, das dem Laien verschlossen bleibt, die ledernen Tatzen. […] Und wenn der eine am Boden liegt, macht der andere ihm nicht noch den Garaus oder setzt ihm den Siegerfuß auf den Nacken, wie wir das im Leben und in der Politik täglich sehen, ohne „Pfui“ zu rufen – nein, der Sieger drückt den Besiegten gerührt an die freudig durchwogte, feuchtglänzende Brust, und sie schütteln einander, so weit der Ausgeschlagene dazu noch in der Lage ist, die le- derbewehrten Tatzen. […] Dem Geschlagenen im Ring wenden sich die feuchten Augen schöner Frauen zu, und er bekommt seine wohlverdiente Prämie, wie der 380 Natonek 1994, S. 230f 381 Ror Wolf ironisiert den Topos; in dem Kurztext Die Folgen der Worte schickt er einen Boxer in den Ring, der „sämtliche Schläge der Welt“ (Wolf 1991, S. 45) erträgt 382 Prenzel 1922, S. 173 383 Kudernatsch 1927, S. 3 384 Ebd. 385 Vgl. Lindner 1994, S. 162f 90 | Teil I. Zeitzeichen Boxen
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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