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„heldischen Manneskraft“61 des Boxers. Boxen findet als ein reines Phänomen
der Oberfläche statt, in sensationsheischender Kolportage des Sportthemas; die
Figur des stets mannhaft wie unumschränkt souverän charakterisierten Boxers
erscheint in grotesker Verabsolutierung und Positivstilisierung. Als sprach-
lich-metaphorisches Beschreibungsprinzip ist demgemäß auch exemplarisch die
metonymische Nähe von Boxerfigur und metallischen und anderen Materialien
großer Härte feststellbar. Boxer üben und praktizieren körperliches Standhalten,
nicht das Weglaufen: „Im Feuer der eigenen Energie härtet sich hier ein Kämp-
fer zu größtem Kaliber.“62 Die „betonharten“63 Männer im Ring erscheinen wie
in „Granit“64 gegossen, mit Fäusten wie „Schmiedehämmer[n]“65, die Schul-
tergürtel und Rücken eine „unerschütterliche Mauer aus eisenharten Rippen
und Muskeln“66; „fauchend wie eine entfesselte Maschine“67 stürmt der Sportler
auf sein Gegenüber zu, wobei jede Muskelpartie „wie gemeißelt“68 hervortritt.
„Eisenhart fielen seine Schläge, jeder saß“69; Boxer, diese „Bündel Stahl und Ge-
hirn“70, besitzen eine „Eisennatur“71. Der junge Autor Hannes Küpper gewinnt
1927 einen Lyrikwettbewerb, bei dem Brecht als Juror mitwirkt.72 Hinter Küp-
pers Sportlerbeschwörung He, he! The Iron Man! verbirgt sich eine zeitgenössi-
sche Bahnradsportlerberühmtheit, der australische Athlet Reggie McNamara,
der in Küppers Song als Mensch-Maschinen-Mirakel erscheint, als „Spiralfeder
aus Stahl“73, das Herz „frei von Gefühlen und menschlichem Schmerz, das Ge-
hirn eine einzige Schalterwand für des Dynamos Antrieb und Stillstand“74, „Ka-
belstränge seine Nerven“75, hoch gespannt „mit Volt-Kraft und Ampèren“76. Die
Beschreibung ließe sich ohne weiteres auf die Haudegen im hell erleuchteten
Kampfquadrat übertragen. Boxer, die wie Taschenmesser zusammenklappen77,
61 Ebd., S. 164
62 Sigleur 1940, S. 59
63 Löffler 1939a, S. 112
64 Sigleur 1940, S. 116
65 Hellwig 1931, S. 38
66 Löffler 1939b, S. 120
67 Sigleur 1940, S. 98
68 Wohl 1927, S. 95
69 Bork 1921, S. 183
70 Wohl 1927, S. 71
71 Nürnberg 1932, S. 48
72 Vgl. Brecht 1983, S. 442
73 Küpper 1992, 669
74 Ebd.
75 Ebd.
76 Ebd.
77 Vgl. Nohara o. J., S. 51
126 | Teil
II.
Im
Moderne-Labor
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440