Seite - 129 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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groß sein und stark, bereit, seine Prinzessin gegen jeden zu verteidigen, gegen die
Drachen und Lindwürmer der Sage, gegen die blutdürstigen Indianer, die ihre
Großmutter in den Pioniertagen von Illinois skalpiert hatten.97
Als beispielhafte Projektionsfigur wird Donald in Das Erwachen des Donald
Westhof letztlich in metaphorischer Totalitätsschau gezeigt, als ein Symptom flä-
chendeckender Mentalität:
Er galt als Phänomen. […] In ihm war der Glaube – um ihn das Dunkle – das
Anonyme – das Geheimnis […]. Wie eine marmorkalte Statue wirkte er – ein
eisiger Luftstrom schien von ihm auszugehen. Keine Bewegung der Wimpern –
kein Beben der Nüstern – kein Zucken um die Mundwinkel verriet, was in ihm
vorging. […] Sie [die Ringzuschauer] weideten sich an diesem edel geschnittenen
Gesicht – an diesem herrlichen Körper, der biegsam wie eine stählerne Klinge –
und hart wie Granit war. Sie wußten, daß sein Stoß eine furchtbare, zermalmende
Wirkung hatte – und daß er andererseits, wie von einem eisernen Panzer umgeben,
auch die schwersten Schläge gleichmütig hinnahm. […] Dies junge Boxergenie
besaß seine eigene Methode – hatte sich derartig im Zaume, daß es zunächst die
äußerste Zurückhaltung übte und nicht eher die Führung des Kampfes an sich riß,
bis es die Körperlichkeit des anderen in sich aufgenommen – gleichsam in sich
aufgesogen hatte. Dies war das Tierhafte – das Animalische in Donald, daß er
den Gegner zu wittern verstand – mit seinem Ruchvermögen ihn gewissermaßen
herauslockte – stellte – zur Strecke brache, noch ehe er den eigentlichen Kampf
überhaupt riskierte.98
Von den Athleten werden beständig ambivalente Bilder entworfen – die letz-
ten Endes gleichwohl diskursiv unverbunden nebeneinander stehen: So gut wie
nichts deutet in diesem Schreiben entlang des Eindimensionalen und Zusam-
menhanglosen den gewaltigen Weimarer Mentalitätsumbruch an. Der Sport-
und Modernediskurs wird rein funktionell über Tier- und Maschinen-Metaphern
vermittelt, die zwischen negativem („Gorilla“99) und positivem Pol („Ritter“100)
oszillieren – und in der Gleichzeitigkeit von Faszination und Beanstandung des
durchbrutalisierten Boxens begründet und auf diese Weise wirkungsgemäß wie
propagandistisch verstärkt scheinen. Anziehungskraft und Zurückweisungsre-
flex des Boxens finden sich illustrativ bereits in der 1906 publizierten Miniatur
97 Ebd., S. 126f
98 Hollaender 1927, S. 282f
99 Scheff 1929, S. 5
100 Thiess 1929b, S. 218 129
Kraft-
und
Körperkulte:
Boxsport-Mode
im
Unterhaltungsroman
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FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440