Seite - 137 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Trainingssaal unterwerfen sich Boxer deshalb auch bereitwillig einer lückenlo-
sen Kontrolle. Der Boxer, so der Trainer in dem Roman In der dritten Runde,
müsse „fest und wendig im Untergestell“178 sein. „Hammer und Amboß“179 zu-
gleich, fordert in Das Erwachen des Donald Westhof Jantura Habdulin, den Do-
nald im Gefängnis kennenlernt und der später sein Trainer wird.180 Habdulin,
Kosak genannt, fährt fort:
Hart muß sein Schlag – undurchdringlich sein Panzer sein, damit er den Stoß
des Gegners aushält, ohne zu zucken. Die Bauchmuskeln, den Rumpf müssen wir
straffen, fest und unempfindlich machen – und um die Fäuste eine Schicht von Erz
und Eisen legen, damit ihr Stoß zu Falle bringt – und an der Stelle, wo er trifft,
kein Gras mehr wächst. […] Ich kann durch Salzlaugenbäder deine Hände hart
wie Diamant kriegen und deine Beinarbeit blendend machen durch Seilspringen,
Dauerlauf und Rückwärtslaufen, – bei dir ist das nicht nötig, mein Junge – bist ein
Gotteswunder – bist als Läufer auf die Welt gekommen. Und läufst dabei nicht wie
ein gewöhnlicher Mensch, der es mit Arbeit und Training geschaffen – läufst wie
ein Tier, als ob du dein Lebtag in Wald und Wildnis gehaust hättest.181
Die psychophysische Körperdurchformung, durch die sich Boxer für den Kampf
befähigen, findet sich reziprok gespiegelt in der bürgerlichen Sehnsucht nach
Sekurität wieder: Nur wer sich entsprechend rüstet und panzert, sei in der Lage,
sich den Anforderungen und Turbulenzen der modern-urbanen Sozietät mit ih-
rer Tempoexplosion, Geschlechter- und Gesellschaftsdestabilisierung sowie ih-
rem Apparate- und Maschinenkult zu stellen. Die Möglichkeiten des Trainings
werden von der Trivialliteratur deshalb auch geradezu emphatisch beschworen;
Training soll dem Übungswilligen helfen, die allenthalben spürbaren sozialen
Aufsplitterungstendenzen zu überwinden. Theo in Theo boxt sich durch wappnet
sich durch stetes Üben gegen Gefahrenlagen: „Und da sie beim Training in der
Turnhalle stets nur den dünnen Badeanzug trugen, um den Körper abzuhärten,
erkältete er sich nie mehr.“182 Boxen findet in den von der breiten Öffentlichkeit
abgeschotteten Trainingssälen, aber nicht im sozialen und politischen Vakuum
statt – auch wenn dies die Trivialliteratur gerne glauben machen möchte. Es
drängt vielmehr auf die Diskursbühnen der Zeit, auf denen der „kalte Positi-
178 Schievelkamp 1920, S. 71
179 Hollaender 1927, S. 273
180 Vgl. ebd., S. 251f
181 Ebd., S. 274f
182 Nohara o. J., S. 13 137
Kraft-
und
Körperkulte:
Boxsport-Mode
im
Unterhaltungsroman
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FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440