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Effizienzabsichten aber nur zu einem geringen Teil parallelisieren – der Versuch
läuft ins Leere. Der erweiterte Blick auf die Verhaltensmechanismen von Kör-
pern im Training, mit dem sich ideologische wie praktische Zusammenhänge
zwischen Macht, Wissen und Subjektivierung genauer fokussieren und somit
die Perspektive auf das literarisierte Boxen ganz generell erweitern ließen, rich-
tet sich im Trivialroman nahezu ausschließlich auf die instruktive Darstellung
wissenschaftlicher, asketischer oder folterähnlicher Trainingsmethoden, die über
die jeweiligen Berichte aus den Trainingshallen mit ihrem Hymnus aus Körper-
bau, Schweiß, Behaarung und Muskelspiel nicht hinausweisen.
5.
Im
Verheißungsvakuum:
Boxen
als
Weltbewältigungsprogramm
Durch Boxen, so die in populären Ringerzählungen verbreitete klischierte
Glücksverheißung, ließen sich die Herausforderungen und Widrigkeiten des
Alltags besser bewältigen; die Schlagfertigkeit werde im Wortsinn verbessert.
Die Möglichkeiten des Boxens finden sich eindringlich beschworen: Boxen sei
eine „Schule für das Leben“224; der Boxer „ein Mann, der das Leben gezwun-
gen“225 habe. Boxen wird so zu einer gesellschaftspolitischen Tatsache popu-
larisiert, durch welche die Versprechung Platz greift, durch Körperfunktiona-
lisierung existenzielle Grenzsituationen meistern zu können: Der Boxring als
Arena der Selbstprüfung, Bewährung und (möglichen) Anerkennung wird über
den „augenblicklichen Kampf hinaus“226 zu einem offenen Möglichkeitsraum
stilisiert – und die Tätigkeit des Boxens zu einem von Sehnsucht und Span-
nung, Rätselhaftigkeit und Eindrücklichkeit umwitterten Erlebnisfeld erhöht;
Boxen ruft in Verliebtsein ausgeschlossen „die Sehnsucht nach dem Leben, nach
der Möglichkeit, seine Kräfte zu erproben“227, wach; es stellt in Aussicht, die
„Früchte zu ernten, die strengste Selbstdisziplin und ewiges Training“228 ge-
sät haben; „die Kampfmoral eines aufrechten Sportlers“229 will sich in Männer
im Ring auch „im Leben bewähren“230. Die trivialliterarischen Verfechter des
Boxens akzentuieren mit ungelenkem Pathos, dass es beim Boxen „auf den gan-
zen Menschen“231 ankomme, und es gehörten nicht allein Kraft und Technik,
224 Luckas 2002, S. 144
225 Hellwig 1931, S. 137
226 Sigleur 1940, S. 44
227 Witte 1939, S. 25
228 Ebd.
229 Sigleur 1940, S. 36
230 Ebd.
231 Uzarski 1930, S. 139
142 | Teil
II.
Im
Moderne-Labor
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440