Seite - 145 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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der „außerordentliche körperliche Gewandtheit und herkulische Kräfte“247 auf-
weise, sei eine „glänzende Karriere“248 so gut wie sicher, lautet die im Ton durch-
aus gängige trivialliterarische Formel. Die vorangehende Rechenoperation spart
die Literatur für Fans gleichsam aus.
6.
Rund
um
den
Ring:
In
den
tonlosen
Echoräumen
des
Boxens
Sakralisierungsfolklore. Ökonomie-Rest. Nationalismus. Spektakelkunde
Die außertextuelle Realität der Arena, in der Faustkämpfe abgehalten werden,
spielt in den Romanen und Erzählungen über das Boxen – erzählerisch dis-
kursiv gespiegelt – eine eminent zeit- und sozialdiagnostische Rolle. Statt die
Möglichkeitsbedingungen des Boxens narrativ zu erforschen, implementiert die
Trivialliteratur in den Topos Boxen jedoch überstürzt Sakralisierungsfolkloren,
Nationalismen, ökonomisches Kalkül und Spektakel. Boxen weist unterschwel-
lige wie offen sichtbare Nähe zu religiöser Semantik und sakraler Glorifizierung
auf. Im modernen Sport finden sich „Elemente des Heiligen und Rituellen“249;
Boxen und die Schauplätze des Boxens werden in die religiösen Verklärungsmo-
delle nahezu automatisch einbezogen: So sei, konstatiert Wolfgang Leppmann
in Die Roaring Twenties, nicht die „Religion, wie noch Lenin glaubte, sondern
der Sport ‚Opium für das Volk‘“250. Auch im untersuchten Quellenkorpus ist
eine Tendenz zu zweckgebundener Deskription des Sakralen feststellbar. Die
trivialliterarische Schreibweise schafft sich mittels überspannter Sakralisierung
des Sports jedenfalls eine spürbare Distanz zur pseudoreligiösen Feier des Bo-
xens, indem diese sakrale Stereotypen zwar aufnimmt, aber damit doch nur je-
nen Spuren folgt, die Empathie, Affekte und Boxfanatismus erzeugen wollen.
Der quasi religiöse Status quo des Boxens und dessen „pseudo-religiöse Kon-
notation“251 verlangen nicht nach expliziter Offenlegung; die pseudo-orthodoxe
Semantik des Boxens ist augenscheinlich. Die Implikationen des Religiösen die-
nen in Paul Gurks Berlin der bilderreichen Darstellung und Heroisierung von
Boxkämpfen. In die Arena, in die „riesige Kirche des Sports“252 mit ihrem die
„Massen […] anziehenden Magnetismus“253, strömen die Besucher, die „Gläu-
247 Schievelkamp 1920, S. 57
248 Ebd.
249 Rase 2003, S. 111
250 Leppmann 1992, S. 263
251 Luckas 2002, S. 15
252 Gurk 1980, S. 303
253 Faktor 1994, S. 227 145
Kraft-
und
Körperkulte:
Boxsport-Mode
im
Unterhaltungsroman
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FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440