Seite - 151 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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„Sportler-Soldat“296 möge sodann im Ring mit „fliegenden Fahnen“297 unterge-
hen, in einem Kampf, in dem die „Festung […] sturmreif geschossen“298 werde
und ein Boxer dem anderen in den „Kernschuß“299 laufe; aus „solchen Leuten
müßten doch später tüchtige Soldaten werden […] da gibt’s keine Duckmäuser
drunter“300. Der siegreiche Athlet wird als „Feldherr“301 gefeiert, der Gegner zum
„Schlachtopfer“302 gemacht. Die Sinnbildkraft des Boxens wird um die Perspek-
tiven des Militärisch-Strategischen fahrlässig erweitert, indem Zusammenhänge
konstruiert werden, die auf ein tiefer gehendes Wurzeln der Bildbereiche Sport
und Soldatentum verweisen sollen: Das „Gefühl der suggestiven Kraft“303 ereilt
den Athleten im Roman In der dritten Runde in Waffenrock wie in Sportshorts;
die „Wildheit im Blut“304 des Boxers rührt vom „Felde“305 her. Das triviallitera-
rische Schreiben nimmt die Amalgamierung von Boxen, Patriotismus und Sä-
belrasselei bedenkenlos vor; jede Niederlage im Ring kommt einer nationalen
Schande gleich.306 „Verhüllet das Haupt, o ihr Musen“307, hebt der Erzähler in
Beinahe Weltmeister an, „und beweinet mit uns das entsetzliche Unglück, das schil-
dern zu müssen die bittere Stunde jetzt gekommen ist.“308 Deutschland habe den
Weltkrieg verloren, setzt der Chronist fort, „zwei Millionen seines besten jungen
Blutes verreckten in Schlamm und Dreck, sechzig Millionen hungerten“309. Dies
habe das deutsche Volk „vergeben und beinahe schon ganz vergessen“310. Nicht
verziehen wird dagegen die Niederlage des Boxers: „In alle Ewigkeit nicht!“311
In der Unterhaltungsbelletristik nehmen schließlich auch intermediale
Schnittpunkte eine zentrale Stellung ein. Als dominantes Segment der zeit-
genössischen Kommunikationskanäle erzeugen die medialen Repräsentati-
onsformen des Boxens eine Art permanent-öffentliches Sportgespräch. „Vor
einem Kampf um die Weltmeisterschaft wußte man in Florida und in Alaska,
296 Ebd., S. 17
297 Ebd., S. 61
298 Ebd., S. 89
299 Ebd., S. 155
300 Ebd., S. 8
301 Ebd., S. 89
302 Ebd., S. 155
303 Schievelkamp 1920, S. 86
304 Hellwig 1931, S. 26
305 Ebd.
306 Vgl. ebd., S. 160f
307 Ebd., S. 158
308 Ebd.
309 Ebd., S. 159
310 Ebd.
311 Ebd. 151
Kraft-
und
Körperkulte:
Boxsport-Mode
im
Unterhaltungsroman
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FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440