Seite - 156 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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MĂ€nnerkörper, der sich aus den Falten eines schwarzen Mantels lösteâ351. Im
Wettstreit sollen sich Kraft und Mut der KĂ€mpfer âim hellsten Lichteâ352 zei-
gen; das Abstreifen der BademĂ€ntel, das Spiel im Helldunkel â alles wird zu
einem Teil der Gesamtinszenierung: ââAh!â ging es durch die Menge.â353 Die
Lichtflut ruft kalte Faszination hervor. âMehr Licht! [âŠ] Mehr Licht!â354, for-
dern die Schlachtenbummler. âDie Leute haben ganz recht. Der Kampf kann
fĂŒnf Minuten dauern, da darf nichts stören.â355 Die âDeckenlampen erloschen
â der Kampf begannâ356, und âZehntausende blickten gebannt auf das weiĂe
Viereck unter den strahlenden Bogenlampenâ357. Das Licht skulptiert flache,
leere Gesichter, einen Ringboden ohne Schatteneffekte und Schattierungen:
Die Dialektik von Hell und Dunkel, die an die dem Ringgeschehen inhÀrente
Gegensatzstereotypie von Gut und Böse358 anschlieĂt, findet im trivialliterari-
schen Illuminationsrepertoire hÀufig Anwendung. Die Körper der Boxer glÀn-
zen âvon SchweiĂ, unten sind alle Gesichter grĂŒn und kalt von Lichtâ359. Die
offene Metaphorik des Lichts lÀsst zudem erotische Implikationen zu. Tom fÀllt
in Der Mann am Faden eine Bewunderin am Ring auf. Sein âBlick blieb an einer
Dame haften, die lÀchelte. Das Ringlicht spiegelte sich in ihrem Goldzahn wie-
der.â360 Nach der Krafterprobung lĂ€sst sich der siegreiche Boxer in Athleten als
distinktives Zeichen symbolischer Ordnung den âblĂŒtenweiĂen Bademantelâ361
umhĂ€ngen: âEs war stets seine Koketterie gewesen, ihn ohne Blutspuren aus
dem Ring hinauszutragen.â362
351 WohlbrĂŒck 1921, S. 336; vgl. Haerdle 2003, S. 54: âWohlbrĂŒck vollzieht in der Beschreibung
der Zuschauerblicke die Fragmentierung des Boxerkörpers nach, der bis zur kleinsten Faser
auseinandergenommen und begutachtet wird.â
352 Schievelkamp 1920, S. 85
353 Nohara o. J., S. 48
354 Brentano 1981a, S. 47
355 Ebd.
356 Schievelkamp 1920, S. 92
357 Nohara o. J., S. 49
358 In Albert Camusâ Textsammlung Heimkehr nach Tipasa duellieren sich in der ErzĂ€hlung Die
Spiele Boxer in Form einer âCorridaâ unter âden unversöhnlichen Scheinwerfernâ mit âge-
schlossenen Augenâ (Camus 1957, S. 34) â als eine Möglichkeit, Hell-Dunkel-GegensĂ€tze zu
erzeugen, wobei die âunentschiedene Machtâ (Camus 1957, S. 35) vom Publikum misslaunig
aufgenommen wird: âEs gibt Gut und Böse, Sieger und Besiegte. Man hat Recht oder Unrecht.
Die Folgerichtigkeit dieser fehllosen Logik wird sofort geliefert aus zweitausend energischen
Lungen, die die Schiedsrichter der KĂ€uflichkeit bezichtigen. [âŠ] Es gibt Gut und Böse, diese
Religion ist unerbittlich.â (ebd., S. 35f)
359 Baum 1988, S. 168
360 Hellwig 1931, S. 73
361 WohlbrĂŒck 1921, S. 313
362 Ebd.
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II.ï»ż
Imï»ż
Moderne-Labor
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂŒberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: LĂŒckenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und NebenschauplÀtze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten ErzÀhlliteratur 160
- âZeitfigurâ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440