Seite - 158 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Dann dröhnen Körperschläge „dumpf in die gespannte Stille des großen
Amphitheaters“372 hinein, das „Pfeifen der aufblähenden Nüstern, das gur-
gelnde Stöhnen, das krachende Aneinanderprallen der Schädel“373 hallt durch
den Raum. „Gleichzeitig mit dem peitschenknallartigen Ha! aus hunderttau-
send Kehlen sprangen die beiden Kämpfer auf und tänzelten wie Balletteusen
mit federnden Schritten gegeneinander vor.“374 Die Geräusche der Menge erin-
nern an das Brüllen einer „Brandung eines wütenden, aufgewühlten Meeres an
einer Felsenküste“375; „Brausen und Summen erfüllte das Haus“376, ein „einziger
Schrei aus tausend Stimmen“377 durchgellt die Halle. „Es war, als habe die Hölle
hunderttausend Teufel ausgespien.“378 Die Takte und Rhythmen der Epoche
tönen im und um den Boxring – und setzen sich bis in die Druckereihallen mit
ihrem stampfenden Rhythmus fort. „In der Halle pfiffen die Ventilatoren“379;
an den „Pressetischen klappern die Schreibmaschinen“380, rasend „hämmern
die Maschinentasten einen halben Meter vom Ring entfernt“381. Es „tobten die
Photographen und Filmkameraträger, startbereit, gierig auf den Moment der
Präsentation der Helden wartend“382; „Megaphontöne“383 legen sich über das
Tohuwabohu, verschaffen sich Aufmerksamkeit: „Die Halle wird unbeschreib-
lich stumm für den Kampf“384, in ungeduldiger Aussicht, den „vollen runden
Klang [zu] hören, mit dem der Lederhandschuh auf Fleisch trifft“385. Gehör
erlangt nur, wer sich entsprechend rüstet: „Die letzte Runde ist begleitet von
dem ununterbrochenen Gebrüll und dröhnenden Treten der Halle. […] Das
Megaphon schafft sich Ruhe. Das Megaphon tut kund. Das Megaphon ver-
kündet einen Sieg des Weißen.“386 Als der siegreiche Boxer Charles Marrautier
in Der große Kampf die Hand hebt, schweigen „hundertzwanzigtausend Men-
372 Witte 1939, S. 69
373 Wohlbrück 1921, S. 103
374 Uzarski 1930, S. 164f
375 Witte 1939, S. 228
376 Schievelkamp 1920, S. 91
377 Witte 1939, S. 67
378 Wohl 1927, S. 104
379 Gurk 1980, S. 304
380 Sigleur 1940, S. 64
381 Ebd., S. 73
382 Gurk 1980, S. 304
383 Baum 1988, S. 168
384 Ebd., S. 170
385 Ebd., S. 169
386 Ebd., S. 171
158 | Teil
II.
Im
Moderne-Labor
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440