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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Sensationell! Der Entscheidungskampf um die Weltmeisterschaft, um die Weltherrschaft, zwischen Munk dem Europameister, genannt Dictator mundi, und dem asiatischen Meister Mai Lung Fang, genannt die chinesische Wildkatze. Versäume niemand, der weltgeschichtlichen Entscheidung beizuwohnen.52 Heinrich Manns Roman Die große Sache unterläuft in anderer Hinsicht gebräuch- liche Vorstellungsbilder vom Boxen. Margo, eine der Töchter des Protagonisten Birk – ein „Entdecker und Pionier […] aus dem heroischen Zeitalter der Tech- nik“53, der rastlos nach der großen Sache aus dem Romantitel (einem Sprengmit- tel, das sich als pure Fiktion entpuppen wird) jagt –, versetzt sich in der Abgeschie- denheit ihrer Wohnung gedanklich in einen zeitgleich stattfindenden Boxkampf im Sportpalast hinein; in sicherer Distanz wähnt sich Margo am Ring, bei dem in der Sporthalle abgehaltenen Duell zwischen Bruno Brüstung, dem literarischen Spiegelbild Max Schmelings54, und dem als übermächtig charakterisierten Gegner Julio Alvarez.55 „In ihren Ohren war ein Getöse, als wäre sie mit dem Sportpalast durch Radio verbunden gewesen. Das bedeutete Händeklatschen, sie unterschied auch Zurufe, ohne den Namen des Siegers zu verstehen.“56 Mann, der in Die große Sache „keinen Aufwand an Kolportage“57 scheut, vollzieht mit Hilfe des Boxens das Wechselspiel von Einbildung und Realität; Margos flirrendem Tagtraum setzt der Autor ein unsanftes Ende: „Plötzlich erschrak sie. Das Läutewerk rasselte, es war nicht im Sportpalast, es war hier im Zimmer – das Telefon, auf dem sie die Hand hielt. Wie lange schon?“58 Boxen, das reine Präsenz suggerieren und sich in zahl- losen Trivialtexten als populäres Junktim von Mode und Modernität feiern lässt, wird zu einer Momentaufnahme, zu einem bloßen Hirngespinst von erschöpften und abgewirtschafteten Boxern. Der mit übertriebener Bedeutung aufgeladene Gongklang wird vom blechernen Scheppern des Telefons abgelöst. Der Ring produziert – von der Trivialliteratur, wie gezeigt wurde, völlig un- kritisch betrachtet – schiere Brutalität. Erich Kästner beobachtet in Boxer unter sich, wie der Boxer Franz Diener „und der Halbschwere“59 in den Ring klettern: Die Boxer werden handgemein. […] So sieht also ein Freundschaftskampf aus! Diener blutet aus der Nase, daß es eine Art hat. Und da ihm das nicht recht ist, 52 Ebd. 53 Mann 1972, S. 273 54 Vgl. Schütz 1986, S. 119 55 Vgl. Mann 1972, S. 144–152 56 Ebd., S. 143 57 Schütz 1986, S. 119 58 Mann 1972, S. 152 59 Kästner 1998a, S. 170 170 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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