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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Seite - 175 -
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nun dem Boxer aus Portsmouth oder jenem aus Plymouth der Sieg gebührt. Kleists Anekdote dient der boxkritischen Literatur der 1920er-Jahre offenbar als wichtiger Orientierungshintergrund. In ihrer Schreibhaltung eint die Au- toren zu Beginn des 20. Jahrhunderts nämlich nicht mehr der naive Glaube an die boxsportlichen Evidenzen von Sieg und Niederlage; sie streben die diskur- sive Unterwanderung der Vorstellungsbilder vom Boxen an. Den ausgehärte- ten Schaum der Verehrungs- und Identifikationssucht, der das Boxen wie eine Kruste panzert, versuchen sie dadurch zu brechen, dass sie die Wissensform des Komischen aktivieren, die durchaus, wie später noch gezeigt werden wird, in das Monströse und Absurde kippen kann. „Und wie eitel er war!“91, lässt Ödön von Horváth in der Textvignette Vom unartigen Ringkämpfer einen Sportler vor den Spiegel treten, vor „dem er gar gerne, manchmal sogar schäkernd, seine Muskeln spielen ließ“92. Die zu mystischer Schablone erstarrte Gestalt des Boxers wird in den fiktional-literarischen und dokumentarisch-journalistischen Texten der elaborierten Literatur nicht mehr als muskelbepackter Sportsmann dargestellt, sondern als eine Figur, an der sich exemplarisch Diskrepanzen und Differenzen qua satirischer Enthüllung zeigen lassen: „Anders als mit Witz und Satire, Spott und Ironie ist der dumpfen Feierlichkeit, die der Sport unter seinen Anhängern verbreitet, […] offenbar schwer Einhalt zu gebieten.“93 Dem Eifer und „hei- ligen Ernst“94, mit dem sich die Unterhaltungsautoren der Propagierung und Stilisierung des Boxens widmen, werden jene Textbeiträge gegenübergestellt, welche die „kollektive Boxeuphorie mit ironischer, bisweilen auch sarkastischer Kritik“95 begleiten. Boxen findet nun auf einem grotesk verzerrten Bedeutungs- feld statt; das hochstilisierte Drama im Ring mutiert zu Posse und Persiflage. Die dem Boxen vorgespannten Glücksversprechen werden satirischer Enthül- lung unterzogen, die Heilserwartung an Drill, Dressur und Disziplin in Abrede gestellt. Es ist, wie so oft, Joseph Roth, der auch das Moment des Zweifelns am Sport in Der Kampf um die Meisterschaft erhellend hervorhebt. „Ich hege im Gegensatz zur geltenden Weltanschauung die Überzeugung, daß der Stärkere siegt“96, so der Ich-Erzähler in dem 1924 publizierten Feuilleton, der sich als Exponent eines fachkundigen Sportpublikums versteht, 91 Horváth 1988b, S. 17 92 Ebd. 93 Görtz 1996, S. 348f 94 Fleig 2008, S. 133 95 Ebd. 96 Roth 1990d, S. 73 175 Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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