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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Seite - 188 -
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Umsonst hatte er Carpentier geschlagen, Gegner aus dem Gleichgewicht ihrer Klasse gebracht, umsonst Kiefer zersplittert, Brustkorbe plattgedrückt, Weisheits- zähne zermalmt. Schlummert in seiner Heldenseele geborgen ein sehnsüchtiges Gemüt, den schö- nen Künsten zugewandt und der Antike? Hat er Sehnsucht nach der Welt der edlen Einfalt und der stillen Größe? Dilletiert [sic] er im Nebenberuf, wie etwa Maeterlinck in freien Stunden boxte? Schämt er sich nicht, der Dempsey? Ach, seine Seele rastet von Knock-outs drei Tage lang und trainiert in den Gefilden der Geistigkeit. Ungeschlagene Magen- stöße zittern in der Luft, indes er Leonardo da Vinci bewundert. Oh, wieviel Swings gehen in diesen drei vertrödelten Tagen verloren!167 Ernüchtert wendet sich das Publikum vom Boxer ab – und sucht Trost und Zuflucht im kinematografischen Heldenstück: „Das Volk wanderte enttäuscht zu Friedericus Rex ins Kino. Dempsey, der Unbesiegliche, war von sich selbst geschlagen worden.“168 Simone Guaja in Bildnis eines Boxers „Ganz unzerteilt, ganz unromantisch, ganz unchristlich, ganz ungebildet, ganz unpolitisch“169, so erscheint der Sportler schließlich in Franz Bleis Erzählung Bildnis eines Boxers; selbst auf die Frage, weshalb er in den Ring steige, findet der Boxer Simone Guaja keine Antwort: Er verstünde die Frage nicht an sich zu richten oder gar zu beantworten, warum er in den Ring steigt. Wir würden sagen, aus Tugend, virtus, also Wertbewußtsein. Er hat keinerlei Träume eines andern als seines Lebens. Er will nicht verdienen, um … Er ist römisch-katholisch, aber gar nicht jenseitig. Gar nicht revolutionär und gar nicht utopistisch. Der Orient ist ihm naturfremd. Sein Mitleid vergießt keine Tränen. Das Evangelium hat er nie gelesen. Aber er geht zur Messe. Er ist gütig. Weil er es ja doch erfahren hat, daß es wohl tut, blickt ein Auge sorgvoll auf den vom Schlage Betäubten, wischt eine gute Hand das Blut. Ist es nicht deshalb, ist es nicht, weil es solche Männer immer noch möglich gibt, daß wir weiter die Griechen lesen? Bei Xenophon etwa vom Sokrates, daß er mit raschem Blick eines jeden Athleten besondere Artung erkannte.170 167 Ebd. 168 Ebd. 169 Blei 1994, S. 22f 170 Vgl. Blei 1994, S 23 188 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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