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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Seite - 192 -
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des Groben und Derben verschmolzen: „Plötzlich wirbeln zwei rote Fäuste um einen armen Kopf. Die Folge ist eine Watschen. […] Die Materie ent- lädt sich. Irgendwo blutet eine Nase. Und noch eine. Die Nasen bluten gleich- gültig. Waren es Nasenstüber? Nein! Es waren: upercuts. Stoische Nasen!“191 Das Duell der Athleten entpuppt sich in Der Boxer als erschöpftes Gerangel in erweiterter Bühnenperspektive: „Irgendwann nach dem achten oder neunten Gong erfolgt ein fürchterlicher Krach. Ein Kämpfer stürzte hin wie eine ge- fällte Ofenbank. Infolge des Herzklopfens der Zuschauer zittert das Bier in den Gläsern. […] Der Boxer rührt sich nicht. Unwiderruflich tot. Schad um den jungen Mann!“192 Das Anzählen durch den Ringrichter kommentiert Roth in der Verkleidung eines von der Brutalität des Boxens euphorisierten Ringbeob- achters; ein strammer Seitenhieb auf die Sportbegeisterung der Zeitgenossen: „Bei ‚zehn‘ springt er auf. Bravoklatschen brandete um seine blutende Nase. Sieger und Besiegter stehen vereint da. Beide verneigten sich. Rührendes Bild der Großmut und Versöhnung. Es schreit nach einem Dichter!“193 Vom Box- sportrausch und Lebenskampftaumel lässt sich Roth auch in Der Boxer nicht anstecken; der Autor verweist das Beziehungsgefüge der polaren Felder Boxen und Prosa, deren Clusterwirkung bereits in den frühen 1920er-Jahren einem geläufigen Werbeslogan entspricht, auf den ihm zustehenden Platz, nämlich auf jenen eines randständigen Phänomens der Sportkultur – nicht nur auf diese Weise bannt Roth das Boxen in Prosabilder der Distanz und des Komischen, die bis heute nachwirken. Der Zeitungsjunge Joseph in Klabunds Erzählung Der Boxer, der sich später als Faustsportler den Kampfnamen „bayerische Wildkatze“194 gibt, wird eben- falls mit Brutalitätsexzessen konfrontiert; der Besuch eines Nachtclubs endet im Tumult: „Das Lokal war in dichte Tabakwolken gehüllt. Frauen und Männer, alle auf kuriose Art herausgeputzt, brüllten, pfiffen, schrien durcheinander.“195 Joseph erblickt eine Frau, seinen „Engel“196; warum er die Frau anlache, wird der Junge zur Rede gestellt. Darauf erhebt sich wüstes Getümmel, in dessen Verlauf der Autor einen zentralen Bestandteil des Boxens ad absurdum führt – das Mann-gegen-Mann-Prinzip, der Kampf zweier Opponenten, knurrend in Angriffshaltung geduckt: „Messer funkelten plötzlich, und ein Schuß knallte“, notiert Klabund. „Und nun begann im Dunkeln ein zäher, verbissener Kampf 191 Ebd. 192 Ebd., S. 144 193 Ebd. 194 Klabund 1998, S. 298 195 Ebd. 196 Ebd., S. 299 192 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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